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Mittelbayerische Zeitung: Der Ruf der Freiheit / Die USA und Kuba schlagen ein neues Kapitel in ihren Beziehungen auf. Damit beginnt eine Zeitenwende. Leitartikel von Thomas Spang

Geschrieben am 19-07-2015

Regensburg (ots) - Praktisch werden nur die Türschilder
ausgetauscht, wenn die langjährigen Erzfeinde ihren bisherigen
Vertretungen wieder vollen diplomatischen Status verleihen. Politisch
bringt dieser Akt aber eine Zeitenwende für die schwer belastete
Vergangenheit zwischen der Supermacht und dem kommunistischen Regime.
Es war nicht einfach, an diesem Punkt anzukommen. Weder die
zweijährigen Geheimverhandlungen, die ohne Vermittlung des Vatikan
vermutlich im Sande verlaufen wären. Noch das sieben-monatige
Tauziehen nach Verkündigung des ersten Durchbruchs im Dezember, bei
dem beide Seiten über die Details der im Grundsatz vereinbarten
Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen stritten. Das Misstrauen
auf beiden Seiten der Straße von Florida ist nach mehr als einem
halben Jahrhundert kalten Krieg überall präsent. Umso mehr verdient
der Mut der Verfechter einer Öffnungspolitik Anerkennung - hier wie
dort. Wäre es doch sehr viel einfacher gewesen, den Forderungen der
Hardliner nachzugeben und den Status quo zu wahren. Zyniker sind
schnell dabei, die Kompromissbereitschaft Havannas als Ausdruck der
verzweifelten wirtschaftlichen Lage zu interpretieren. Tatsächlich
war diese noch nie rosig auf der real-sozialistischen Karibik-Insel.
Doch für Havanna funktionierte das von den USA verhängte Embargo
stets recht gut als Ausrede, die Defizite des eigenen Systems
hinwegzureden. Gleichzeitig isolierte es die Supermacht in der
Hemisphäre, die wenig Verständnis für den harschen Kurs aufbrachte.
Die Aufnahme diplomatischer Kontakte ist der Anfang vom Ende der
Legende, die es viel zu lange erlaubte, dem "Klassenfeind" die
Probleme auf der Insel in die Schuhe schieben. Je mehr die USA die
Kubaner durch Dialog, Handel und Tourismus herausfordern, desto mehr
gerät das Regime in die Bredouille. Deshalb kann und darf die
Botschafts-Eröffnung nicht der letzte, sondern muss der erste
signifikante Schritt einer Politik sein, die Wandel durch Annäherung
möglich macht. Es wird höchste Zeit nun auch das unsinnige Embargo zu
beenden. Die Hardliner in den USA müssen sich zu Recht die Frage
gefallen lassen, was sie mit ihrer Blockade erreicht haben. Die
Antwort fällt eindeutig aus: Leider nicht viel. Die Castro-Brüder
sitzen noch immer fest im Sattel und unterdrücken ihre politische
Opposition wie gehabt. Hat es angesichts dieser traurigen Bilanz viel
Sinn, etwas Neues zu versuchen? Wer von der Anziehungskraft
westlicher Demokratie wirklich überzeugt ist, konnte kaum anders als
auf diese Kehrtwende zu hoffen. Jeder Geschäftsmann, der nach Havanna
reist und jeder Tourist, der an den weißen Stränden einen Urlaub
bucht, ist ein Botschafter der Freiheit. Private Investitionen in die
maroden Telekommunikationsnetze der Insel sind nicht nur gut für
US-Unternehmen, sondern auch für die Bürgerrechte. Schaffen sie den
Kubanern doch Zugang zu den Informationsströmen des Internets. All
das bedeutet weder Reformen über Nacht noch Wandel ohne Widerstand.
Kuba bleibt eine Diktatur, die großen Nachholbedarf bei Bürger- und
Menschenrechten hat. Wer das nicht sehen will, muss sich
Blauäugigkeit vorhalten lassen. Aber die Saat ist gesetzt. Wie einst
in Deutschland, als Willy Brandt und Egon Bahr gegen den erbitterten
Widerstand der Opposition etwas Neues versuchten, das erst 20 Jahre
später Früchte trug. US-Präsident Obama wird denselben Erfolg haben.
Denn je mehr die Kubaner durch Austausch mit ,normalen' Amerikanern
über das wirkliche Leben erfahren, desto unwiderstehlicher wird der
Ruf der Freiheit. Die Wiederaufnahme voller diplomatischer
Beziehungen schafft die Grundlage dafür.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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