(Registrieren)

Staatsrechtler: Extremismusbegriff ist verfassungswidrig

Geschrieben am 26-12-2019

Berlin (ots) - Der Berliner Staats- und Verwaltungsrechtler Martin Kutscha hat
die Kategorie "extremistisch" als "politischen Kampfbegriff" kritisiert. Im
Gespräch mit der Tageszeitung "neues deutschland" (Freitagausgabe) sagte er:
"Eigentlich kann jeder, der Kritik übt oder Regierungsstellen unbequem ist, als
extremistisch gebrandmarkt werden." Nicht zuletzt, weil der Begriff so unscharf
sei, stehe er weder im Grundgesetz noch im Bundesverfassungsschutzgesetz.

Das Berliner Finanzamt hatte entschieden, der Vereinigung der Verfolgten des
Naziregimes - Bund der Antifaschisten den Status der Gemeinnützigkeit zu
entziehen und darauf verwiesen, dass die Vereinigung vom bayerischen
Verfassungsschutz als "linksextremistisch beeinflusst" eingestuft wird. Mit
Blick auf diese Entscheidung forderte Kutscha eine Reform der Abgabenordnung.
"Man hat vor etwa zehn Jahren in die Abgabenordnung hineingeschrieben, dass
Organisationen nicht gemeinnützig sind, wenn sie im Verfassungsschutzbericht des
Bundes oder eines Bundeslandes als extremistisch bezeichnet werden. Da hat man
den Extremismusbegriff in ein formelles Gesetz aufgenommen, was in meinen Augen
verhängnisvoll ist", so Kutscha. Der Begriff sei "juristisch völlig unscharf".

Als Eingriffsnorm sei der Begriff auch verfassungswidrig. "Das
Bundesverfassungsgericht verlangt in ständiger Rechtsprechung, dass
Eingriffsnormen bestimmt sein müssen, dass ich als Bürger oder Bürgerin genau
weiß, was gemeint ist. Und daran mangelt es diesem Begriff", so der Professor
für Staats- und Verwaltungsrecht im Ruhestand, der bis 2013 an der Berliner
Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) gelehrt hat.

Zugleich kritisierte er, dass politischen Vereinen wie Attac und Campact die
Gemeinnützigkeit entzogen wurde. Es könne nicht sein, dass "eine Organisation
vom Staat abgestraft wird, weil sie politische Forderungen erhebt", so Kutscha.
"Jeder Kaninchenzüchterverband will, dass seine Interessen von der Politik
berücksichtigt werden - und er wird deshalb eben nicht nur Aufklärungs- und
Bildungsarbeit betreiben, sondern natürlich auch politische Forderungen
stellen."

Der Jurist forderte auch, disziplinarische Maßnahmen aufgrund der Gesinnung
dürften gegen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes nur dann zum Tragen kommen,
wenn sie im Amt Volksverhetzung betrieben. Dies müsse auch für rechtslastige
Personen gelten. "Wir dürfen niemanden allein wegen seiner Gesinnung
benachteiligen", etwa wenn er Mitglied einer legalen Partei wie der AfD sei,
sagte Kutscha.

Pressekontakt:

neues deutschland
Redaktion

Telefon: 030/2978-1722

Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/59019/4478220
OTS: neues deutschland

Original-Content von: neues deutschland, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

715973

weitere Artikel:
  • Nur Mut, liebe SPD Die Partei ist dieses Jahr vor allem um sich selbst gekreist. Dabei stehen ihr große politische Herausforderungen bevor.Von Jana Wolf Regensburg (ots) - Sanna Marin, die neue Ministerpräsidentin Finnlands und Hoffnung der finnischen Sozialdemokraten, ist mit einem großen Aufschlag ins Amt gestartet: Die 34-Jährige sprach sich für eine Vier-Tage-Arbeitswoche und einen Sechs-Stunden-Tag aus. Dieser Vorschlag hat es in sich. Nicht nur, weil er die Arbeitswelt komplett umkrempeln würde. Vor allem beweist er echten Reformwillen. Unabhängig von der konkreten Umsetzung zeigt Marins Vorstoß, dass Politik eine Welt im Wandel aktiv gestalten und mit neuen Ideen beleben kann. mehr...

  • Kommentar zur erneuten Tempolimit-Diskussion Berlin (ots) - Die Sozialdemokraten wollen endlich mal wieder einen Punktsieg einfahren, nachdem sie die Debatte um den Fortbestand der Koalition mehr oder weniger erfolgreich hinter sich gelassen haben. Eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung macht sich gut in einer Klimadebatte der kleinen Schritte und der angeschlagene Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer ist als Betonkopf in dieser Frage bekannt. Gleichzeitig wackelt der Stuhl des CSU-Politikers seit Monaten. Auch in konservativen Medien wird inzwischen sein Rücktritt gefordert. mehr...

  • Bahn investiert 170 Milliarden Euro bis 2030¶ Die Richtung stimmt Bielefeld (ots) - Von Matthias Bungeroth Wer täglich Bahn fährt, weiß: Es läuft noch nicht alles rund bei diesem Unternehmen. An der Pünktlichkeit des Systems Bahn gibt es noch einiges zu tun. Nach wie vor fahren Züge auf stark befahrenen Strecken, die in den 1990er Jahren gebaut wurden. Die technischen Macken im Alltagsbetrieb nehmen zu, der Service in gleichem Maße zurück. Doch während viele Bahnreisende diesen Umstand lange Zeit leicht frustriert über sich ergehen ließen und dem umweltfreundlichen Verkehrsmittel dennoch aus Überzeugung mehr...

  • KOMMENTAR Ein Tempolimit schützt die Freiheit der anderen Düsseldorf (ots) - Von Kirsten Bialdiga Auf den Autobahnen vieler Länder fährt es sich wunderbar entspannt. Anders als in Deutschland drängelt niemand bei Tempo 150, weil er noch schneller fahren will. Der Verkehrsfluss ist ruhiger und gleichmäßiger. Allein aus diesem Grund stellt sich die Frage: Warum kein Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf Deutschlands Autobahnen, wie es nun die SPD fordert? Ein Tempolimit einzuführen, würde - abgesehen von ein paar zusätzlichen Radarfallen - nicht viel kosten. Es würde aber nebenbei ein mehr...

  • KOMMENTAR Kein Grund für (noch) mehr staatliche Hilfe Düsseldorf (ots) - Von Birgit Marschall Die sonst so subventionskritische deutsche Industrie ruft nach erleichterten Bedingungen für das staatliche Kurzarbeitergeld. Wenn der Maschinenbau oder die Automobilbauer in eine Flaute geraten, ist ihr Ruf nach Hilfe von Vater Staat plötzlich laut zu hören. Wenn es um Hilfen für andere Interessengruppen geht, hagelt es dagegen Kritik. Sympathisch ist das nicht. Vor allem nicht aus Sicht der Steuer- und Beitragszahler, die das Kurzarbeitergeld finanzieren. Sollte der Staat die Regeln für mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht