(Registrieren)

Nur Mut, liebe SPD Die Partei ist dieses Jahr vor allem um sich selbst gekreist. Dabei stehen ihr große politische Herausforderungen bevor.Von Jana Wolf

Geschrieben am 26-12-2019

Regensburg (ots) - Sanna Marin, die neue Ministerpräsidentin Finnlands und
Hoffnung der finnischen Sozialdemokraten, ist mit einem großen Aufschlag ins Amt
gestartet: Die 34-Jährige sprach sich für eine Vier-Tage-Arbeitswoche und einen
Sechs-Stunden-Tag aus. Dieser Vorschlag hat es in sich. Nicht nur, weil er die
Arbeitswelt komplett umkrempeln würde. Vor allem beweist er echten Reformwillen.
Unabhängig von der konkreten Umsetzung zeigt Marins Vorstoß, dass Politik eine
Welt im Wandel aktiv gestalten und mit neuen Ideen beleben kann. Wie wäre es,
liebe SPD? Wie sieht der Plan für die Zukunft aus? Wo sind die mutigen Antworten
auf drängende Fragen der Zeit? Während sich Finnlands Sozialdemokraten mit
progressiven Ideen hervortun, sind die hiesigen Genossen in diesem Jahr vor
allem um sich selbst gekreist. Dabei gibt es große Herausforderungen, für die
Konzepte gefragt sind. Allein in der Arbeitspolitik: Die Digitalisierung ist in
vollem Gang und verändert Arbeitsabläufe rasant. Durch intelligente Systeme
werden Produktionsjobs überflüssig. Autonome Fahrzeuge werden menschliche Fahrer
ersetzen, ob in Lieferketten, Bussen oder Taxis. Die gerade für Bayern wichtige
Automobilbranche steht massiv unter Druck. Viele Tätigkeiten werden an
Leiharbeitsfirmen ausgegliedert, oft unter prekären Bedingungen. Das ist nur ein
winziger Ausschnitt der Aufgaben, die es politisch zu lösen gilt. Dabei sollte
gerade die Arbeit das sozialdemokratische Leib-und-Magen-Thema sein. Sollte. Die
SPD ist längst nicht mehr als die Kraft erkennbar, die verlässlich für die
Anliegen der arbeitenden Bevölkerung kämpft. Das ureigene Profil der mehr als
150 Jahre alten Partei ging in langen, bleiernen GroKo-Jahren immer mehr
verloren. Nun ist die SPD allzu oft die Abladehalde für Kritik und Häme, auch
durch die Medien. Dabei muss man ihr zugute halten, dass sie beim Parteitag
Anfang Dezember in Berlin die Erneuerung versuchte. Einstimmig und euphorisch
verabschiedeten die Genossen ihr neues Sozialstaatskonzept, das endgültig die
Abkehr von der Agenda 2010 Gerhard Schröders und von Hartz IV besiegeln soll.
Damit will die SPD etwa ein Recht auf mobiles Arbeiten und Homeoffice schaffen,
den Zugang zu Weiterbildung erleichtern und finanziell unterstützen, Unternehmen
mit Tarifbindung belohnen und so für faire Löhne sorgen. Das sind gute Signale,
die auf eine veränderte Arbeitswelt reagieren. Doch es bleibt eben beim
Reagieren. Zum aktiven Gestalten reicht der SPD die Kraft nicht. Und so
verfestigt sich der Eindruck, dass sich die Sozialdemokraten immer noch am alten
Agenda-Trauma abarbeiten, anstatt mit wachem Geist Ideen für eine Gesellschaft
von morgen zu entwickeln. Viel wurde dieses Jahr über die endlos scheinende
Suche nach einer neuen Parteispitze diskutiert. Nun, da sie mit dem Duo Esken
und Walter-Borjans gefunden ist, kreist alles darum, ob die GroKo bis 2021 hält
- derzeit spricht vieles dafür. Die zentrale Frage aber ist eine andere: Welche
Rolle übernimmt die Sozialdemokratie in unserer Gesellschaft? Was kann sie -
jenseits von Personal- und Machtfragen - für die Menschen leisten? Das hat die
SPD bis jetzt nicht geklärt. Sie schiebt die Antwort vor sich her, anstatt mit
Mut und Ambition ein Gesellschaftsbild für die Zukunft zu entwerfen. Diese
Richtungslosigkeit kostet Wählerstimmen und sorgt selbst in den eigenen Reihen
für Frust. Bei der Wahl der Parteispitze hat die Basis klar mit dem bisherigen
Kurs abgerechnet. Der Schuss war unüberhörbar. Man muss kein Anhänger der
Sozialdemokraten sein, um sich eine starke politische Kraft der linken Mitte zu
wünschen. Sie täte unserer Gesellschaft gut. Man kann der SPD nur wünschen, dass
sie schnell die Frage ihrer sozialen und politischen Relevanz geklärt bekommt.
Man kann der SPD nur mehr vom finnischen Mut wünschen.

Pressekontakt:

Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Weiteres Material: https://www.presseportal.de/pm/62544/4478219
OTS: Mittelbayerische Zeitung

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

715974

weitere Artikel:
  • Kommentar zur erneuten Tempolimit-Diskussion Berlin (ots) - Die Sozialdemokraten wollen endlich mal wieder einen Punktsieg einfahren, nachdem sie die Debatte um den Fortbestand der Koalition mehr oder weniger erfolgreich hinter sich gelassen haben. Eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung macht sich gut in einer Klimadebatte der kleinen Schritte und der angeschlagene Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer ist als Betonkopf in dieser Frage bekannt. Gleichzeitig wackelt der Stuhl des CSU-Politikers seit Monaten. Auch in konservativen Medien wird inzwischen sein Rücktritt gefordert. mehr...

  • Bahn investiert 170 Milliarden Euro bis 2030¶ Die Richtung stimmt Bielefeld (ots) - Von Matthias Bungeroth Wer täglich Bahn fährt, weiß: Es läuft noch nicht alles rund bei diesem Unternehmen. An der Pünktlichkeit des Systems Bahn gibt es noch einiges zu tun. Nach wie vor fahren Züge auf stark befahrenen Strecken, die in den 1990er Jahren gebaut wurden. Die technischen Macken im Alltagsbetrieb nehmen zu, der Service in gleichem Maße zurück. Doch während viele Bahnreisende diesen Umstand lange Zeit leicht frustriert über sich ergehen ließen und dem umweltfreundlichen Verkehrsmittel dennoch aus Überzeugung mehr...

  • KOMMENTAR Ein Tempolimit schützt die Freiheit der anderen Düsseldorf (ots) - Von Kirsten Bialdiga Auf den Autobahnen vieler Länder fährt es sich wunderbar entspannt. Anders als in Deutschland drängelt niemand bei Tempo 150, weil er noch schneller fahren will. Der Verkehrsfluss ist ruhiger und gleichmäßiger. Allein aus diesem Grund stellt sich die Frage: Warum kein Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf Deutschlands Autobahnen, wie es nun die SPD fordert? Ein Tempolimit einzuführen, würde - abgesehen von ein paar zusätzlichen Radarfallen - nicht viel kosten. Es würde aber nebenbei ein mehr...

  • KOMMENTAR Kein Grund für (noch) mehr staatliche Hilfe Düsseldorf (ots) - Von Birgit Marschall Die sonst so subventionskritische deutsche Industrie ruft nach erleichterten Bedingungen für das staatliche Kurzarbeitergeld. Wenn der Maschinenbau oder die Automobilbauer in eine Flaute geraten, ist ihr Ruf nach Hilfe von Vater Staat plötzlich laut zu hören. Wenn es um Hilfen für andere Interessengruppen geht, hagelt es dagegen Kritik. Sympathisch ist das nicht. Vor allem nicht aus Sicht der Steuer- und Beitragszahler, die das Kurzarbeitergeld finanzieren. Sollte der Staat die Regeln für mehr...

  • Grünen-Verkehrspolitiker Özdemir attackiert SPD in der Tempolimit-Debatte Düsseldorf (ots) - In der Debatte über ein Tempolimit auf Autobahnen hat der Grünen-Verkehrspolitiker Cem Özdemir die SPD  scharf kritisiert. "Die SPD hätte die Möglichkeit gehabt, unserem entsprechenden Antrag im Bundestag zuzustimmen", sagte Özdemir der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Freitag). "Jetzt das Thema hochzuziehen, wissend, dass die Union nicht mitmachen wird, ist reine Symbolpolitik", sagte der frühere Grünen-Parteichef. Die SPD argumentiere mit dem Klimaschutz, habe aber in den Bund-Länder-Verhandlungen über mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht