(Registrieren)

Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Griechenland

Geschrieben am 13-07-2015

Bielefeld (ots) - Europa kann nicht zufrieden sein. Diese Einigung
hat zwar den Grexit verhindert. Aber schon die unwillkürliche
Versuchung, in diesen Satz ein »zunächst« einzufügen, zeigt, wohin
diese Union gekommen ist: Das in Jahren aufgebaute Vertrauen ging
verloren, wurde zerstört, ist zerbrochen. Dieses Ergebnis ist eine
Übereinkunft, die niemand als Durchbruch zu feiern wagt, weil jeder
hofft, dass der andere auch morgen noch zu seinem Wort steht. Die
Mitgliedschaft in EU und Euro, politisch wie vertraglich eigentlich
eine unkündbare Errungenschaft, erscheint nicht mehr
selbstverständlich.

Es sind nicht nur die wochenlangen Demütigungen, die die Vertreter
der Mitgliedstaaten durch Griechenland an diesen Punkt gebracht
haben, sondern auch der unzufriedene britische Störenfried, der eine
Abkehr von dem Projekt Europa zu einer politischen Möglichkeit
gemacht hat.

Die Kritiker werden mit Recht den fast schon unfassbaren Tabubruch
beklagen, mit dem die übrigen 18 Euro-Mitglieder die Hellenen an die
kurze Leine gelegt haben, ihnen de facto diktiert haben, welche
Gesetze wieder abgeräumt und welche bis wann erlassen werden müssen.
Dass die Bundeskanzlerin und ihr Finanzminister mit ihrer strammen
Spar-Rhetorik und ihren fast schon brutalen politischen Drohungen
halb Europa gegen sich aufbrachten, mag man am Tag danach als
notwendiges Übel zum Erreichen eines wichtigeren Zieles abtun. Aber
es hat diese Union beschädigt. Weil es ein Beitrag von vielen war,
Ressentiments wieder auferstehen zu lassen und Feindbilder zu
provozieren, die in dieser Gemeinschaft eigentlich keinen Platz mehr
haben sollten. Nichts bräuchte Europa im Moment mehr als eine Phase
der Beruhigung - und die Gewissheit, dass man in Athen jetzt
mitarbeitet.

Aber auch daran müssen alle Beteiligten mitwirken. Niemand wird
heute anzweifeln, dass die Konzentration auf kalte Spardiktate immer
falsch war. Zwar gab es auch schon vor Jahren Stimmen, die mahnten,
Einsparungen immer mit Wachstumsimpulsen zu ergänzen, damit ein Land
nicht nur schrumpft, sondern auch an den richtigen Stellen zulegen
kann. Aber es blieb bei Appellen. Das betrifft Griechenland ebenso
wie andere Krisenländer, deren Arbeitslosigkeit in
schwindelerregende Höhen geklettert ist. Wenn in den heutigen
Angeboten an die Hellenen von Milliarden-Zuwendungen die Rede ist,
die man in Brüssel fest eingeplant hat, dann wird es Zeit, diese auch
zu nutzen.

Denn auch das ist klar: Die nächtlichen Ergebnisse mögen politisch
richtig sein, Arbeitsplätze schaffen sie zumindest kurzfristig nicht.
Das Schnellprogramm zur Staatssanierung darf nicht wieder ohne
Wachstums- und Konjunkturprogramm auf halbem Weg steckenbleiben. Die
Griechen brauchen nicht nur liquide Banken, sondern Aufträge,
Investitionen, Jobs und neue Perspektiven. Und zwar schnell.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

571282

weitere Artikel:
  • Aachener Nachrichten: Teutonischer Hammer - Auf dem Gipfel in Brüssel wurde viel Porzellan zerschlagen; Ein Kommentar von Joachim Zinsen Aachen (ots) - Doch, eine gute Nachricht gibt es tatsächlich aus Brüssel zu vermelden. Auf dem chaotischen Gipfel vom Wochenende ist verhindert worden, dass die Eurozone implodiert. Zumindest vorerst. Glück gehabt! Das ist aber auch schon alles an froher Kunde. Auch wenn Kanzlerin Angela Merkel jubelt und sich von "Bild" & Co. bejubeln lässt, Finanzminister Wolfgang Schäuble seinen Triumph eher still genießt, SPD-Chef Sigmar Gabriel dem Duo mal wieder artig zur Seite steht und der griechische Regierungschef Alexis Tsipras tapfer mehr...

  • Rheinische Post: Arme Flüchtlinge Kommentar Von Christian Schwerdtfeger Düsseldorf (ots) - Kaputte Heizungen, mangelhafte Strom- und Warmwasserversorgung, Feuchtigkeit und Schimmel, Brandschäden und Ungezieferbefall, undichte Fenster, defekte Balkongeländer und viel zu wenige Betten: Die Zustände in den Flüchtlingseinrichtungen sind zum Teil erschreckend. Es ist beschämend und ein Armutszeugnis, dass es eines der reichsten Länder der Welt nun schon seit Jahren nicht schafft, die Flüchtlinge flächendeckend menschengerecht unterzubringen. Es muss in den Ohren der Flüchtlinge wie Hohn klingen, wenn sie mehr...

  • Rheinische Post: Ein vorläufig gutes Ende des Euro-Pokers Kommentar Von Antje Höning Düsseldorf (ots) - Zehn Tage lang stand die Währungsunion vor dem Scheitern. Griechenland rutschte in die Pleite, der Rest Europas versank im Streit. Dann rauften sich die Staatschefs zusammen und wendeten das Ende einer großen Idee ab. Das ist die gute Nachricht der langen Nacht von Brüssel. Mögen Stammtische und Ökonomie-Professoren seit langem "Grexit!" rufen und wäre ein solcher für Europa auch verkraftbar - für Griechenland hätte das Aus ein ökonomisches Desaster bedeutet. Und für das historische Projekt Europa einen schweren mehr...

  • Stuttgarter Nachrichten: zu Griechenland Stuttgart (ots) - Das größte Risiko sind die Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder bereits eingegangen, als sie sich nach dem griechischen Referendum noch einmal auf Verhandlungen eingelassen haben. Da setzten sie das Signal: Verträge, Regeln, Volksentscheide schön und gut, aber wirklich ernst muss sie keiner nehmen. Was manche gerade als "Rettung Europas" feiern - das Angebot eines dritten Pakets an Griechenland - könnte sich als Sprengsatz entpuppen, der die Währungsunion oder gar die gesamte EU aus ihrer Verankerung reißt. mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Griechenland soll im Euro bleiben Schwieriger Kompromiss THOMAS SEIM Bielefeld (ots) - Griechenland bleibt im Euro. Das ist gut. Für alles andere - die Verhandlungen zum Hilfspaket und die öffentliche Debatte darüber - gilt dieses Urteil eher nicht. Auf der Habenseite der 17-stündigen Verhandlungen von 19 Staats- und Regierungchefs der Euro-Staaten steht die Stabilisierung der Währung. Darauf deutete der Kurs der europäischen Gemeinschaftswährung jedenfalls gestern hin. Außerdem konnte ein Zerfall der Euro-Zone, dem eine Spaltung der Europäischen Union früher oder später gefolgt wäre, vorerst verhindert mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht