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Aachener Nachrichten: Teutonischer Hammer - Auf dem Gipfel in Brüssel wurde viel Porzellan zerschlagen; Ein Kommentar von Joachim Zinsen

Geschrieben am 13-07-2015

Aachen (ots) - Doch, eine gute Nachricht gibt es tatsächlich aus
Brüssel zu vermelden. Auf dem chaotischen Gipfel vom Wochenende ist
verhindert worden, dass die Eurozone implodiert. Zumindest vorerst.
Glück gehabt! Das ist aber auch schon alles an froher Kunde. Auch
wenn Kanzlerin Angela Merkel jubelt und sich von "Bild" & Co.
bejubeln lässt, Finanzminister Wolfgang Schäuble seinen Triumph eher
still genießt, SPD-Chef Sigmar Gabriel dem Duo mal wieder artig zur
Seite steht und der griechische Regierungschef Alexis Tsipras tapfer
versucht, die Contenance zu wahren: Der 13. Juli 2015 war kein guter
Tag. Und zwar nicht nur für Griechenland, sondern auch nicht für
Europa, für Deutschland und für die Demokratie. Griechenland muss
also die verheerende Kaputtsparpolitik der vergangenen Jahre
fortsetzen und zudem seinen Arbeitsmarkt extrem liberalisieren. Das
wird die Wirtschaft des Landes noch tiefer in die Knie zwingen und
noch größere Teile der Bevölkerung in die Verarmung treiben. Auch die
in Aussicht gestellten Investitionshilfen der EU dürften daran wenig
ändern. Wie Athen angesichts dieser Rahmenbedingungen Schulden
zurückzahlen soll, bleibt ein Rätsel. Schlaue Gläubiger erlassen
ihren Schuldnern in einem Insolvenzverfahren einen großen Teil der
Verbindlichkeit, damit für sie die Chance bestehen bleibt, zumindest
einen kleineren Teil des Geldes zurückzuerhalten. Merkel und Schäuble
ist so viel Weisheit und Weitsicht offenbar fremd, sie spielen lieber
mit Illusionen, weil sie vor der deutschen Öffentlichkeit nicht
eingestehen wollen, dass ihre "Rettungspolitik" gescheitert ist. Das
Problem Griechenland liegt auch nach dem Euro-Gipfel weiter auf
Wiedervorlage. Dafür hat das deutsche Duo der griechischen Regierung
und einigen europäischen Partnern am Wochenende einmal so richtig
gezeigt, wo der teutonische Hammer hängt. Mit seiner
zwischenzeitlichen Drohung, Athen für Jahre aus dem Euro zu
schmeißen, wollte Schäuble Tsipras in die Kapitulation treiben und
demütigen. Es ist ihm gelungen. Machtpolitisch war das sicherlich
eine Meisterleistung. Europapolitsch aber ist es eine Katastrophe mit
Langzeitfolgen. Bild vom hässlichen Deutschen Das deutsche Duo hat in
Brüssel nämlich ein Prinzip beiseite geschoben, das die Europapolitik
von Helmut Schmidt, von Helmut Kohl ja selbst von Gerhard Schröder
bestimmt hat - die Suche nach einem fairen Interessensausgleich mit
allen Partnern. Merkel und Schäuble haben jetzt deutlich gemacht,
dass der Stärkere jederzeit den Schwächeren dominieren kann,
Deutschland der stärkste Staat in der EU ist und selbst Frankreich
und Italien zu kuschen haben, wenn es eng wird. Durch sein
schulmeisterhaftes, arrogantes und herrisches Auftreten hat vor allem
Schäuble das Bild vom hässlichen Deutschen wiederbelebt. Es geistert
inzwischen nicht nur durch Griechenland, nicht nur durch die üblichen
deutschlandskeptischen Milieus. Selbst in Ländern wie Frankreich,
Italien und Spanien macht sich immer mehr die Angst vor einem
Hegemon breit, der respekt- und rücksichtslos die eigenen
Vorstellungen durchsetzt. Die Angst reicht bis in die Mitte dieser
Gesellschaften hinein. Sie zerstört Vertrauen und stärkt
nationalistische Kräfte. Das schadet Europa und damit letztlich auch
Deutschland. Dass bei dem Griechenland-Diktat ganz nebenbei auch noch
die Demokratie unter die Räder geraten ist, Hellas zu einer Art
Protektorat herabgestuft wird, in dem Athen seine Gesetze von
nichtgewählten Technokraten absegnen lassen muss, scheint in der
Bundesregierung niemanden ernsthaft zu stören. Nein, gestern war
kein guter Tag.



Pressekontakt:
Aachener Nachrichten
Redaktion Aachener Nachrichten
Telefon: 0241 5101-388
an-blattmacher@zeitungsverlag-aachen.de


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