Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur Lage in den USA: Die Uneinigen Staaten von Thomas Spang
Geschrieben am 28-11-2014 |   
 
 Regensburg (ots) - Vordergründig hat die Wut der Schwarzen in  
Ferguson über den ungesühnten Tod des 18-jährigen Michael Brown nur  
wenig zu tun mit dem Aufruhr der "Tea Party"-Populisten gegen den  
Alleingang von Präsident Obama bei der Einwanderung. Wer ein bisschen 
tiefer gräbt, stößt aber schnell auf eine gemeinsame Wurzel des  
Unbehagens: Misstrauen in die Institutionen der Demokratie, verbunden 
mit einer tiefen Unzufriedenheit über die politischen Führer, die es  
nicht schaffen, sich aus der Selbstblockade zu befreien. Die Proteste 
der vergangenen Tage kehren Amerikas Seelenlage nach außen: Schwarz  
gegen Weiß. Reich gegen Arm. Nord gegen Süd. Stadt gegen Land.  
Republikaner gegen Demokraten. Die Verwerfungen in der einst für  
ihren notorischen Optimismus bekannten Nation brechen in ungewohnter  
Heftigkeit aus. Kompromissfähigkeit in dem auf Konsens angelegten  
System der Selbstregierung ist Mangelware geworden. Stattdessen  
stehen alle Zeichen auf Konfrontation. In Ferguson drückte die sich  
in roher Gewalt aus. Mit brennenden Häusern und Straßenschlachten  
zwischen krawallbereiten Randalierern und hochgerüsteten  
Sicherheitskräften. Subtiler, aber nicht minder folgenreich erwies  
sich die kalte Logik des Staatsanwalts von St. Louis, der den  
Todesschützen des jungen Schwarzen trickreich weißwusch. Der  
resultierende Freispruch verstärkte den ohnehin vorhandenen Verdacht  
in den Armenvierteln Amerikas, dass Recht und Gerechtigkeit wenig  
miteinander zu tun haben. Das Leben dunkelhäutiger Männer wird in der 
Polizeipraxis bis heute als Kollateralschaden hingenommen. Wenn es,  
wie in einem öffentlichen Park in Cleveland, ein Kind trifft, gibt es 
bei den verantwortlichen nicht viel mehr als ein Schulterzucken. Der  
Colt der Sheriffs sitzt locker. Von 410 beim FBI gemeldeten  
Todesschüssen der Polizei kam es 2012 nicht in einem Fall zu einer  
gerichtlichen Überprüfung. Weil die Bewohner besser situierter  
Nachbarschaften diese Erfahrung nicht teilen, fällt es ihnen schwer,  
das Misstrauen in anderen Teilen der Bevölkerung nachzuvollziehen.  
Der Preis dieser Segmentierung ist Unverständnis. Dieses  
Auseinanderbrechen der Lebenswelten in Amerika reflektiert sich in  
der politischen Frontstellung Washingtons. Zum Beispiel auch bei der  
Einwanderung. Weil der Präsident bis zu fünf Millionen Einwanderer  
ohne Papiere im Alleingang vor der Abschiebung schützt, erklärt ihm  
die neue republikanische Mehrheit im Kongress den Krieg. Statt über  
ein Gesetzespaket zur Reform der Einwanderung abstimmen zu lassen,  
das leicht eine Mehrheit fände, denken die neuen Herren auf dem  
Capitol Hill über Schikanen nach. Von aussichtslosen Prozessen bis  
hin zu dem Versuch, der Regierung den Geldhahn abzudrehen. Was fehlt, 
sind politische Führer, die den Mut und die Kraft haben, sich über  
einflussreiche Lobbygruppen hinwegzusetzen, die  
Kompromissbereitschaft mit politischem Liebesentzug abstrafen. Dass  
sich die von niemandem gewählten Interessensvertreter in einer so  
starken Position finden, hat das Land dem Verfassungsgericht zu  
verdanken, das die Schleusen für verdeckte Großspenden in  
unbegrenzter Höhe geöffnet hat. Die inneren Verwerfungen in den USA  
werden sich mit schönen Worten allein nicht überwinden lassen. Das  
geht nur über den Nachweis der Handlungsfähigkeit der Politik. Es  
sieht wenig danach aus, solange die gleichen Phänomene so  
entgegengesetzt wahrgenommen und interpretiert werden. Das Ergebnis  
ist eine nachhaltige Führungskrise, die aus den Vereinigten die  
Uneinigen Staaten von Amerika macht. 
 
 
 
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