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Berliner Morgenpost: Die Kunst, den Menschen aus der Seele zu sprechen - Kommentar

Geschrieben am 05-06-2009

Berlin (ots) - Man mag sich das nun schon seit ein paar Monaten
fragen, seit einem Jahr. Wie dieser Kerl das eigentlich hinkriegt,
immer und immer wieder herauszustechen aus dem grauen Heer der
Weltbürokratie, den richtigen Ton zu treffen, den passenden Ort zu
finden. Und da zu sein. Und dann freuen sich die Menschen, selbst
wenn der Held selbst sich gar nicht blicken lässt, und man feiert ein
kleines Fest. Nur die, die nie verzeihen können, die immer Recht
haben und in ihrem Leben nicht zugeben werden, geringer zu sein als
ein anderer. Nur die zetern und warnen und wenden sich ab von
Präsident Obama. Einem Politiker, dem es Gott sei Dank immer noch
gelingt, Hoffnung zu machen auf eine bessere Welt.
Man weiß ja gar nicht so ganz genau, was ihn bewogen hat, jetzt nicht
den deutschen Triumphbogen zu wählen für seinen kurzen Auftritt hier,
nicht das Brandenburger Tor. Nicht diese wunderbare Freiheitsstadt,
die hebt er sich vielleicht auf für diesen deutschen November.
Stattdessen Dresden, das geschundene. Und Buchenwald. Buchenwald.
Ronald Reagan in Bitburg, dann an der Mauer. George W.Bush in
Trinwillershagen, rustikal. Obama aber geht nach Buchenwald.
Und wieder trifft dieser Wunderknabe den Ton. Einen Tag nach seiner
Kairoer Rede verneigt er sich vor den Toten der Schoah und beschämt
so jeden Holocaust-Leugner. Kann Israel skeptisch sein gegenüber
einem US-Präsidenten muslimischer Abstammung, der nach Deutschland
reist, "nur" um ein ehemaliges KZ zu besuchen?
Traumwandlerisch sicher bewegt sich Obama - ein Debütant immer noch,
kein alter Hase - über das internationale Parkett. Vielleicht ist er
ja auch nur sehr gut beraten. Aber, wenn das so sein sollte, dann
bedarf es ja auch immer eines Beratenen, der zuhört und den Rat
annimmt. Man versteht ja eigentlich nicht sonderlich gut auf solchen
Höhen. Überflieger, Machtmenschen, Alphatiere bleiben ja in der Regel
ganz gern bei sich.
Wir, das konnte man gestern vielfach nachlesen, bleiben natürlich
angemessen skeptisch. Bloß nicht zu viel Euphorie. Wir suchen den
Zweifel. Wir vermissen Konkreteres, Strategischeres, Greifbareres an
Obamas Kairoer Rede, die aber eben doch eine Kehrtwende der
US-Politik manifestiert. Nicht so sehr inhaltlich, da muss
Außenpolitik grundsätzlich stringent sein über einen Machtwechsel
hinaus. Aber eben doch empathisch. Obamas Wende zielt auf den Bauch,
nicht allein auf die klugen Köpfe. Und nur so kann es der Politik
gelingen, die Menschen mitzunehmen auf neue Wege.
Das ist ja ein Manko der deutschen, aber eben auch der europäischen
Politik insgesamt, dass es ihr nur sehr mühevoll gelingt, die Herzen
der Menschen zu treffen. Ihnen aus der Seele zu sprechen, ohne
jemandem nach dem Munde zu reden. Das ist eine Kunst, die hier bei
uns, befeuert von den ideologischen Kämpfen des Kalten Kriegs,
verschüttgegangen ist. Wir Deutsche können also etwas lernen von
Barack Obama, nicht nur stilistisch. Schauen wir also genau hin,
nicht erst im November in Berlin.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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