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Südwest Presse: Kommentar zur Hessen-Wahl

Geschrieben am 19-01-2009

Ulm (ots) - Der Souverän hat gesprochen und er erweist sich als
weit klüger, als ihm manchmal unterstellt wird. Denn zum einen ist
die SPD für die Ignoranz und Sturheit von Andrea Ypsilanti und ihrem
unseligen Einflüsterer Hermann Scheer angemessen gestraft worden. Zum
anderen hat Roland Koch genauso schlecht abgeschnitten, wie vor einem
Jahr, obwohl der Polarisierer flink wie ein Wendehals plötzlich den
aufgeklärten Mann der Mitte gegeben hat. Und bemerkenswert auch, dass
die frustrierte SPD-Klientel sich vorwiegend in die Nichtwahl
geflüchtet oder den Grünen zugewendet hat, die Linkspartei mit ihren
Wolkenkuckucksheimen aber kaum profitiert.
Nach einem Jahr mit schlagzeilenträchtigen "hessischen Verhältnissen"
hat das Bundesland nun alle Chancen, schwarz-gelb-regiert wieder in
den grauen landespolitischen Alltag abzutauchen. In Berlin allerdings
wird sich die Politik noch länger mit dem prägnanten ersten
Wählervotum im "Superwahljahr" 2009 auseinandersetzen.
Die CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel etwa dürfte mit
klammheimlichem Wohlgefallen registrieren, dass ihr Vize in der
Bundes-Partei und einstiger innerparteilicher Konkurrent trotz bester
Vorbedingungen vom Wähler nur mit "noch ausreichend" bewertet worden
ist. Koch muss seiner Partei sogar noch dankbar sein, dass sie ihm
diese zweite Chance nach dem von ihm mitverschuldeten Wahldesaster
von 2008 eingeräumt hat.
Doch Merkels Trachten ist derzeit auf die Bundestagswahl im Herbst
gerichtet. Und da ist Hessen nach dem CSU-Flop in Bayern das nächste
große Land mit gerupfter C-Partei. Das unter Christdemokraten
kursierende Wunschergebnis 40 plus x im September rückt damit in die
Ferne, auch wenn im Bund die Kanzlerin zur Wahl steht und nicht ein
abgemeierter Roland Koch oder eine krisengeschüttelte CSU.
Sorgen muss sich die CDU-Matadorin auch machen über das
Wiedererstarken der FDP, mit der Merkel gern die Republik regieren
würde. Auch wenn es vorwiegend Leihstimmen von frustrierten Anhängern
versagender Volksparteien in Bayern und Hessen sind - Guido
Westerwelle kann es egal sein, welchen Ursachen er den Aufschwung
verdankt. Er verfügt jedenfalls über das dramaturgische und taktische
Gespür, die neue Machtposition der Liberalen im Bundesrat
auszuspielen, ohne in den Ruch der Blockade-Partei zu geraten. Die
FDP - das trennt sie von den in Hessen ebenso erfolgreichen Grünen -
regiert nun in sechs der sieben größten Bundesländern mit und kann
sich entsprechend inszenieren im Superwahljahr. Satt zweistellige
Ergebnisse wirken zudem preistreibend in Koalitionsverhandlungen - es
ist bereits zu besichtigen.
Solche Sorgen hätten sie gern bei der SPD. Spätestens mit dem
abermaligen Einzug in den Wiesbadener Landtag ist die aus ihrem
Fleische abgespaltene Linkskonkurrenz ein nicht mehr zu ignorierender
Faktor auch im Westen. Am 30. August, vier Wochen vor der
Bundestagswahl, können Gysi, Lafontaine und Gefolge bei
Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und im Saarland erneut
auftrumpfen und der SPD die Hölle heiß machen. Die Klärung des
Verhältnisses zur Partei von SED-Erben und Globalisierungsverlierern
wird Parteichef Müntefering und den Kanzlerkandidaten Steinmeier im
ersten Halbjahr stärker in Beschlag nehmen, als ihnen lieb ist. Die
Sozialdemokraten haben allen Anlass, aggressiver als bisher den
programmatischen Anspruch der Linken dem politischen Machbaren
gegenüberzustellen, selbst wenn das manche/n in den eigenen Reihen
befremdet. Und, im Interesse der von Ypsilanti demolierten
Glaubwürdigkeit, an einer glasklaren Aussage zum Umgang mit der
Linkskonkurrenz zu arbeiten.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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