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"DER STANDARD"-Kommentar: "Gruppenbild ohne Franzose" von Gudrun Harrer

Geschrieben am 10-11-2013

Bei den Atomgesprächen mit dem Iran streiten auch die
Verhandler untereinander - Ausgabe vom 11.11.2013

Wien (ots) - Nach einer dreitägigen nachrichtlichen
Hochschaubahnfahrt reibt sich das internationale Publikum erstaunt
die Augen: Was war das denn, wie ist es in Genf bei den
Atomverhandlungen mit dem Iran wirklich gelaufen? Auch wenn die Linie
aller Verhandler, auch der Iraner - was alleine schon demonstriert,
dass sich viel geändert hat -, nach dem Verhandlungsende dahingehend
lautet, dass man "noch" keinen Durchbruch geschafft habe, so ist das
inoffizielle Narrativ doch ein ganz anderes: Wenn Frankreich nicht
gewesen wäre, hätten die restlichen P5+1, also die Uno-Vetomächte
USA, Großbritannien, Russland, China plus Deutschland, einem Deal mit
Teheran zugestimmt. P4+1+Iran gegen Frankreich: die neue Formel aus
Genf. Es ist durchaus möglich, dass diese Darstellung stark
übertrieben ist: Die Türen, hinter denen die Atomgespräche laufen,
sind ungewöhnlich dicht. Aber aus einem Satz im Statement von
US-Außenminister John Kerry vor seiner Abreise sprach eindeutig ein
gewisser Frust: In den nächsten Tagen werde man anderswo hoffentlich
begreifen, dass das, was in Genf versucht wurde, vernünftig gewesen
sei und wirklich etwas gebracht hätte. Das richtet sich klar an die
israelische Adresse und an die der Golfaraber, als deren
Interessenvertreter Paris fungierte. Am Sonntag reiste Kerry in die
Vereinigten Arabischen Emirate, und auch in Jerusalem wird eine
US-Delegation Überzeugungsarbeit zu leisten versuchen - umgekehrt
wird das israelische Gegenlobbying beim US-Kongress verstärkt. Die
harte französische Linie in den Atomverhandlungen ist nicht neu: Das
aus Paris kommende Argument war immer, dass größtmögliche Härte gegen
den Iran der einzige Weg sei, einen Militärschlag unnötig zu machen.
Wenn man die jetzige iranische Kompromissbereitschaft betrachtet,
könnte man das als valable Strategie bezeichnen. Aber flexibel ist
sie offenbar nicht. Nicht einmal in Israel selbst bleibt die totale
Ablehnung des in Genf möglichen Deals, der die - reversible -
Lockerung von einigen Sanktionen vorsah, unhinterfragt: Vor allem
scheint unterzugehen, dass es sich um nicht mehr als die Vereinbarung
von Eröffnungszügen für ein langes Verhandlungsmatch handelt. Es ist
richtig, dass sie Weichen für den Verlauf von Verhandlungen stellen,
und zwischen Realisten und Maximalisten klaffen nun einmal tiefe
Abgründe, was die Frage betrifft, was der Ausgang sein müsste. Aus
historischer Perspektive ist daran zu erinnern, dass der Iran 2005
Forderungen stellte, die heute beinahe lachhaft anmuten. Auch damals
wollten die Verhandler alles - und gingen mit nichts weg. Was nicht
heißen soll, dass die Fragen der Hardliner nicht berechtigt wären:
Aber der Schwerwasserreaktor Arak, um dessen
Plutoniumproduktionspotenzial es jetzt geht, ist noch nicht einmal
fertig. Die Frage ist, was eher dazu führt, ihn zu stoppen: kein Deal
jedenfalls sicher nicht. Ob die Chance, die sich in Genf auftat,
verspielt oder maximiert wurde, bleibt zu sehen: Auch Letzteres ist
durchaus möglich. Das nächste Treffen findet nicht mehr auf
Ministerebene statt: Das könnte ein Zeichen der Mutlosigkeit sein
oder aber auch die Konsequenz aus dem PR-Desaster, das einsetzte, als
alle Außenminister nach Genf zu eilen begannen, um auf einem sich
abzeichnenden Gruppenfoto aufzuscheinen - alle außer dem Franzosen,
der kam, um es zu verhindern.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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