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KN: Aktenmanipulation: Schwere Vorwürfe gegen Chef der Landespolizei Schleswig-Holstein

Geschrieben am 23-05-2017

Kiel (ots) - Die Mobbing-Affäre bei der Landespolizei in
Schleswig-Holstein zieht immer weitere Kreise. Es geht um gezielte
Aktenmanipulation im Landeskriminalamt in Kiel (LKA). Dafür sprechen
Unterlagen, die die Kieler Nachrichten (Dienstagsausgabe) einsehen
konnten, sowie verschiedene weitere Quellen.

Die Vorwürfe richten sich gegen Landespolizeidirektor Ralf Höhs
sowie den Leiter der früheren Sonderkommission Rocker, Mathias E.
Demnach hat die Polizei vor und nach dem Verbot der Bandidos
Neumünster vom April 2010 ein - mutmaßlich hochrangiges - Mitglied
der Rockergruppe als Spitzel beschäftigt, dessen Informationen als
absolut verlässlich galten. Dennoch wurde im LKA entschieden, die
Aussage des Informanten, man habe in einem Strafverfahren den
Falschen verhaftet, unter den Tisch fallen zu lassen. Dafür müsse
"etwas gedreht" werden, zitieren Teilnehmer einer internen
Besprechung den Soko-Leiter.

Bei dem Informanten handele es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit
um den Präsidenten der Bandidos Neumünster, Ralf B., wie verschiedene
mit den streng geheimen Vorgängen vertraute Personen der Zeitung
unabhängig voneinander sagten.

Die Schilderung der Soko-Besprechung ist Teil eines umfangreichen
Dokuments, das im Mai 2011 an das Innenministerium unter dem
damaligen Ressortchef Klaus Schlie (CDU) adressiert war. Ein
Ministeriumssprecher bestätigte der Zeitung am Montag den Eingang.
Der Kieler Anwalt Michael Gubitz erklärte auf Anfrage, das Papier
verschickt zu haben. Höhs, heute ranghöchster Polizist des Landes,
war zu der fraglichen Zeit als Vize-Chef des LKA mit den
Rocker-Ermittlungen betraut. Zwei frühere Ermittler werfen Höhs und
Soko-Chef E. vor, im Verfahren wegen einer blutigen Messerstecherei
im Januar 2010 in Neumünster darauf hingewirkt zu haben, die Aussage
des Informanten aus der Akte fernzuhalten. Ein Rocker, der laut der
Aussage erst nach der Tat in einer "Subway"-Filiale vor Ort
eingetroffen war, blieb so in Summe rund zwei Monate in U-Haft. Als
die LKA-Ermittler gegen das aus ihrer Sicht rechtswidrige und
strafbare Vorgehen protestiert hätten, seien sie massiv unter Druck
gesetzt und zwangsversetzt worden, sagen die Männer.

Im Juni 2010 sagte ein sogenannter V-Mann-Führer im LKA den beiden
Ermittlern ausweislich eines Gesprächsvermerks, der Informant sei
"seit einem sehr langen Zeitraum eine zuverlässige Informationsquelle
(...), auf die man sich zu 100 Prozent verlassen könne". Dessen
Aussage dürfe aber nicht in die Akte gelangen, dies habe er der
Quelle versprochen. Der Informant sei selbst Beschuldigter in dem
Strafverfahren, so der Kontaktbeamte.

Das LKA habe damit gegen mehrere Rechtsgrundsätze verstoßen, sagt
Gubitz, der einen der beiden LKA-Ermittler vertritt. "Wenn
entlastende Aussagen vorliegen, müssen sie zwingend ins Verfahren
einfließen." Eine "strafbare Tatbeteiligung" schließe aber auch eine
V-Mann-Tätigkeit in demselben Komplex aus. Man hätte sorgfältig
prüfen müssen, ob sich die LKA-Spitze der Freiheitsberaubung und
Strafvereitelung im Amt schuldig gemacht habe, sagt Gubitz.

Am Tag einer Großrazzia, bei der in Neumünster mehrere Bandidos,
darunter der Neonazi Peter B., festgenommen worden waren, verbot
Schlie Ende April 2010 die Neumünsteraner Bandidos und die Hells
Angels Flensburg. Vorausgegangen war eine Welle von Gewalt. Von dem
amtierenden Landtagspräsidenten Schlie, den Wahlsieger Daniel Günther
(CDU) im April 2017 erneut als Kandidaten für das Ministeramt
präsentiert hatte, gab es bis Montagabend noch keine Stellungnahme.
Bei der Kieler Staatsanwaltschaft war einer der beiden
protestierenden Ermittler am 8. Juli 2010 mit einem selbst verfassten
Vermerk über die Aussage des Spitzels vorstellig geworden. Nach dem
Schreiben von Gubitz vom Mai 2011 leitete die Behörde eine Vorprüfung
ein, sah aber keinen Anlass für weitergehende Ermittlungen.

Das Urteil im "Subway"-Fall erging im Frühjahr 2011: Peter B.
bekam drei Jahre und neun Monate, die Ermittlungen gegen Ralf B.
waren vor Prozessbeginn eingestellt worden. Ende 2013 wurde Höhs
Landespolizeidirektor.



Pressekontakt:
Kieler Nachrichten
Chefredakteur
Christian Longardt
Telefon: 0431/903-2812
christian.longardt@kieler-nachrichten.de

Original-Content von: Kieler Nachrichten, übermittelt durch news aktuell


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