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Westfalen-Blatt: zur Schuldenkrise

Geschrieben am 12-07-2015

Bielefeld (ots) - Helfen wollen Griechenland alle. Und schuld sein
will am Ende auch keiner. So verstreicht Frist um Frist, folgt
der letzten Chance noch die allerletzte. Zunehmend
verzweifelt sucht Europa nach dem Notausgang - dem Exit vor dem
Grexit. Doch so oder so bleibt die griechische Tragödie ein Drama
in der Dauerschleife. Zugleich wachsen die Ungeduld und der Druck
stetig. In den Verhandlungskreisen wie unter den Bürgern Europas. Und
erst recht in Griechenland, wo die Folgen der Krise für die Menschen
mit jedem Tag spürbarer werden. Das Hickhack um Athens Verbleib im
Euroraum ist für alle zermürbend. Eine glaubhafte Lösung jedoch
kann es nicht geben, solange zwei zentrale Fragen ungeklärt sind.
Sie lauten: Will sich Griechenland überhaupt helfen lassen?
Und, nicht minder wichtig: Reicht das Vertrauen der Gläubiger noch
aus? Fangen wir mit Letzterem an, so hat das Wochenende gezeigt, wie
zerrüttet das Verhältnis ist zwischen denen, die dringend Hilfe
brauchen, und denen, die helfen sollen. Tiefes Misstrauen und die
Angst vor erneut falschen Versprechungen machen die Vertreter der
Eurozone noch vorsichtiger, als sie es mit Blick auf ein drittes
Hilfspaket über 74 Milliarden Euro (oder noch viel mehr) ohnehin
sein müssten. Und dann ist da noch die unglaubliche Wendigkeit des
Alexis Tsipras. Denn wie der griechische Premier im eigenen Land
entschlossen und zügig etwas durchsetzen will, was sein Volk erst
vor einer Woche und ausdrücklich auf seinen Ratschlag hin mit
klarer Mehrheit abgelehnt hat, muss in diesen Tagen ein Rätsel
bleiben. Dass ein Teil der eigenen Parlamentarier Tsipras aber
bereits in der Abstimmung Samstag früh die Gefolgschaft
verweigerte, ist kein gutes Zeichen für echten Reformwillen.
Apropos Reformen: kein Kataster, kein funktionierendes Finanzwesen.
Nichts. Ein echter Rettungsplan liefe also auf nichts anderes
als auf den kompletten Neuaufbau des griechischen Staatswesens
hinaus. Das aber ist keine Aufgabe von drei Jahren, sondern eine
von drei Jahrzehnten. Hier fragt sich: Wer wäre
legitimiert, einen solchen Umbau anzugehen? Die drei Institutionen
sind es streng genommen nicht - mag Athen auch noch so viel
Unvermögen und Unwillen aufbringen. Denn noch ist Griechenland ein
souveränes Land, so dass mancher Vergleich mit dem Deutschland der
Nachkriegszeit und dem Marshallplan doch gewaltig hinkt. Nein,
Griechenland hat keinen Krieg verloren - auch wenn die
abscheuliche Rhetorik von Leuten wie Ex-Finanzminister Varoufakis
mitunter anderes vermuten ließ. Athen steht auch nicht unter dem
Protektorat der Eurozone. Im Gegenteil: Unter Tsipras hat das Land
einen neuen Weg eingeschlagen. Selbstbewusst und selbstbestimmt. Und
genau das ist auch der Grund dafür, dass inzwischen immer
weniger Europäer an eine ehrliche Umkehr Athens glauben mögen.



Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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