(Registrieren)

DER STANDARD-Kommentar: "Dem Shitstorm entgegensteuern" von Gerald John

Geschrieben am 06-05-2014

Eine Steuerreform könnte die Koalition retten - das geht nur
mit Gegenfinanzierung (Ausgabe ET 7.5.2014)

Wien (ots) - Erst den Leuten den Mund wässrig machen, dann sie
verhungern lassen: So speist die Regierung jene Wähler ab, die das
Versprechen der Steuersenkung ernst nahmen. Finanzminister Michael
Spindelegger will nicht, solange nicht Wirtschaftsboom,
Föderalismusreform oder ein anderes Wunder Geld in die Kasse spülen.
Kanzler Werner Faymann traut sich nicht, weil ein Insistieren auf
einer Vermögenssteuer zur Gegenfinanzierung den Koalitionsfrieden
gefährden könnte - auch, wenn dieser allmählich an Grabesruhe
gemahnt.

Die Zores dafür werden beide Seiten ernten. Man muss ja nicht wie
der Linzer Ökonom Friedrich Schneider einen Volksaufstand an die Wand
malen, doch aus dem permanenten Shitstorm kommt die Koalition so
nicht heraus. Natürlich lässt sich im Handumdrehen kein kluges
Konzept erstellen, aber ein straffer Zeitplan mit konkreten Zielen
wäre das Mindeste, um Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Denn es gibt
Alternativen zum Warten auf bessere Jahre und (angekündigte) Reformen
mit langer Vorlaufzeit, sofern die Regierung nicht einer Illusion
erliegt: es allen recht machen zu können.

Potenzial schlummert im Steuersystem selbst. Die Umsatzsteuer ist
von Ermäßigungen durchlöchert, dazu gesellen sich mehr als 550
Begünstigungen im Einkommenssteuerrecht - mit so absurden Ausreißern
wie dem ökologisch fatalen Dienstwagenprivileg, das zuletzt wieder
nur homöopathisch beschnitten wurde. Für jeden Vorteil wird sich eine
Lobby ins Zeug legen, doch das gemeinsame Ziel - eine Senkung des
leistungsfeindlich hohen Eingangssteuersatzes im Gegenzug - sollte
der Koalition ein Wickel wert sein.

Mit dem Streichen von Ausnahmen ist es aber nicht getan. Will die
Koalition Arbeit vor dem Sankt-Nimmerleins-Tag entlasten, wird sie
angesichts von Hypo-Kosten und Nulldefizitgebot der EU nicht
umhinkommen, andere Steuern anzuheben. Die viel beklagte Abgabenquote
bliebe dann zwar auf insgesamt hohem Niveau, doch dieser Wert sagt
ohnehin wenig über die finanzpolitische Vernunft eines Staates aus.
Einsparungen sind an vielen Stellen nötig, aber nicht per se
sinnvoller als Steuererhöhungen - es kommt drauf an, wer oder was
belastet wird: Es wäre ein schlechter Deal, etwa Umweltförderungen zu
kürzen, nur um aus Rücksicht auf die Quote auf höhere Ökosteuern zu
verzichten. Selbige liegen in Österreich ohnehin unter dem
EU-Schnitt.

Viel mehr trifft das noch auf Vermögenssteuern zu, die weit
wachstumsfreundlicher als die überstrapazierte Einkommenssteuer sind.
Der Behauptung, dass diese mit mittelstandsverträglichen Freibeträgen
nur Peanuts brächten, widersprechen Studien, die nicht von den
üblichen rot-grünen Verdächtigen in Auftrag gegeben wurden. Und
selbst wenn der Erlös überschätzt wird: Mit Erbschaftssteuer und
einer aufgefetteten Grundsteuer geht sich eine Arbeitsentlastung
allemal leichter aus als ohne.

Für Faymann birgt der allgemeine Unmut deshalb eine Chance. Der
SPÖ-Chef müsste den von den Medien über die Expertenschaft bis zu den
eigenen Genossen ertönten Ruf nach einer Steuerreform nützen, um die
Maximalposition seines Widerparts - keine Gegenfinanzierung - zu
untergraben. Komfortabel ist diese ohnehin nicht: Dass Spindelegger
vier Millionen Einkommensteuerzahler vertröstet, um 80.000 Betuchte
vor der roten "Millionärssteuer" zu schützen, werden auch nicht alle
ÖVP-Wähler verstehen.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

*** OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER
INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS - WWW.OTS.AT ***


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

525906

weitere Artikel:
  • Aachener Nachrichten: Kommentar: Im Verborgenen - Was am geplanten Freihandelsabkommen mit den USA verstört; Von Joachim Zinsen Aachen (ots) - Geheimverhandlungen können Verschwörungstheorien provozieren. Über ihr geplantes Freihandelsabkommen TTIP verhandeln die EU-Kommission und die US-Administration nun schon seit geraumer Zeit hinter verschlossenen Türen. Basiert deshalb die inzwischen immer massivere Kritik an TTIP auf Verschwörungstheorien - so wie es uns die Verfechter des Abkommens suggerieren wollen? Keineswegs! Das Wenige, was aus den Gesprächen bisher an die Öffentlichkeit gedrungen ist, zwingt zu höchster Vorsicht. Denn wenn alles so wie bisher mehr...

  • Allg. Zeitung Mainz: Anstand und Würde / Kommentar zur Neuregelung des Abschieberechts Mainz (ots) - Gesetzliche Regelungen, die den Behörden keine Chance auf individuelle Entscheidungen lassen, ja im schlimmsten Fall keinen Unterschied zwischen Gut und Böse machen, stellen das Selbstverständnis einer Demokratie auf den Kopf. Teile der bislang geltenden Vorschriften zum Bleiberecht sind solche welt- und anstandsfernen Regeln. Deshalb wird es höchste Zeit, sie zu ändern und so dem gesunden Menschenverstand derer, die dem Gesetz Geltung zu verschaffen haben, mehr Spielraum zu geben. Welchem Polizisten ist nicht schon mehr...

  • Allg. Zeitung Mainz: Aufrüttelnd / Kommentar zu Behandlungsfehlern Mainz (ots) - Die Zahl ärztlicher Fehler liege im Promillebereich, sagt der Präsident der Bundesärztekammer. Recht hat er. Aber das ist absolut kein Trost für alle, die nach einer falschen Behandlung unter gravierenden Folgen leiden. Jeder Behandlungsfehler ist einer zu viel; zugleich muss der Mensch als solcher akzeptieren, dass seine Spezies zu völliger Fehlerfreiheit nicht in der Lage ist. Diese Situation mag makaber erscheinen, bleibt aber wohl noch lange irreversibel. Hinzu kommt eine Besonderheit der Medizin. Fehler in diesem mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Neue Westfälische startet Online-Wahlhelfer zur NRW-Kommunalwahl Chefredakteur kündigt crossmediale Offensive an Bielefeld (ots) - Online-Premiere: Die Neue Westfälische in Bielefeld hat am Dienstag, 6. Mai, ab 18 Uhr erstmals einen digitalen Wahlhelfer zur Kommunalwahl in NRW. http://www.nw-news.de/owl/bielefe ld/mitte/mitte/11062104_NW-Wahlhelfer_ab_sofort_freigeschaltet.html Die neue Plattform, die die Bielefelder Lokalredaktion der NW in mehrwöchiger Entwicklungsarbeit gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut Interrogare entwickelt hat, vergleicht die politischen Ansprüche der Online-Nutzer mit insgesamt 10 lokalen Parteiangeboten und errechnet mehr...

  • Märkische Oderzeitung: Kommentarauszug zum Besuch von Bundespräsident Gauck in Tschechien: Frankfurt/Oder (ots) - Dass es auf dieser Reise ausgesprochen entspannt zugeht, hat zum einen damit zu tun, dass der neue linke tschechische Präsident kein so scharfer EU-Kritiker ist wie sein Vorgänger. Aber es liegt vor allem daran, dass sich im Alltag Tausende Menschen begegnen und dadurch die Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg durch bessere Erfahrungen verdrängt wurden. Tschechen und Deutsche sind längst gute Nachbarn. Pressekontakt: Märkische Oderzeitung CvD Telefon: 0335/5530 563 cvd@moz.de mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht