| | | Geschrieben am 15-04-2014 Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Europa: Der Watschenmann von Christian Kucznierz
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 Regensburg (ots) - Es ist leicht, auf Brüssel zu schimpfen.
 Allerdings geschieht es zu häufig aus den falschen Gründen.
 
 Der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten bei der Europawahl,
 Martin Schulz, brachte es am Politischen Aschermittwoch auf den
 Punkt: "Scheint die Sonne nicht - Brüssel. Schweißfüße - Brüssel."
 Man muss Schulz nicht mögen und auch die EU nicht immer gut finden.
 Aber eines stimmt in jedem Fall: Brüssel muss oft als Watschenmann
 herhalten für alles, was irgendwo schief läuft und für das man selbst
 als Politiker keine Verantwortung übernehmen will. Es ist oft
 richtig, sich über Brüssel aufzuregen. Aber das geschieht leider viel
 zu häufig aus den falschen Gründen. Ja: Die Europäische Union ist ein
 abstraktes Gebilde. Sie steht für Regulierungswut, für überbordende
 Bürokratie, sprich: für alles, was wir an staatlichen Einrichtungen
 nicht mögen. Und sie wird als solche selbst von denjenigen
 gebrandmarkt, die auf europäischer Ebene mitentscheiden - und zwar
 immer dann, wenn man sich Vorteile an der Wahlurne erhofft. Jüngstes
 Beispiel ist die Aufregung um das Verbot von stromfressenden
 Elektrogeräten im Haushalt. Wer, wie etwa die bayerische
 CSU-Europaministerin Beate Merk kritisiert, dass die EU sich damit zu
 sehr in die Lebenswelt der Menschen einmischt, kann sich des Beifalls
 vieler Wähler sicher sein. Das aber ist unseriös, weil erstens
 niemand aus Brüssel in die Küchen geht und alte Kaffeemaschinen
 konfisziert. Zweitens sitzt die CSU selbst mit im Straßburger
 EU-Parlament. Zudem ist gerade das Thema Energieeffizienz der beste
 Beleg dafür, dass aus der EU nicht nur Sinnloses, Teures und Nerviges
 kommt. Ohne stromsparende Elektrogeräte auch daheim kann keine
 Energiewende gelingen. Gestern erst wurde mit der Zustimmung des
 Parlaments zur Bankenunion sichergestellt, dass nicht mehr der
 Steuerzahler für die Zockerei der Banken aufkommen muss. Perfide
 daran ist, dass die Einzelstaaten sich solche sinnvollen Beschlüsse
 gerne ans Revers heften, während unangenehme als Brüsseler
 Regulierungswut abgetan werden. Oder aber man erwähnt das Sinnvolle
 erst gar nicht. Man schüttelt den Kopf über die Normierung der
 Gurkenkrümmung, aber verschweigt, dass die EU zukünftig das
 Handytelefonat im Ausland verbilligen wird. Weil es leichter ist,
 sich über das Brüsseler Allerlei aufzuregen, verstellt sich der Blick
 auf das, was man der Europäischen Union wirklich anlasten kann. Das
 ist vor allem ihr mangelndes außenpolitisches Format. Im Umgang mit
 den Flüchtlingsströmen über das Mittelmeer zeigt sich täglich, dass
 die EU die Symptome zwar mittlerweile gut bekämpfen kann. Die
 Ursachen für die Flucht von Tausenden Afrikanern aber - etwa die
 Flutung der afrikanischen Märkte mit billiger, weil
 hochsubventionierter Ware aus der EU - geht man nicht an. Und es war
 eine Zeit lang schicker, sich auf dem Maidan in Kiew mit
 prowestlichen Demonstranten fotografieren zu lassen, als früh die
 unangenehme Auseinandersetzung mit Russland zu suchen. Denn dann
 hätte man ja wirtschaftliche und politische Interessen der
 EU-Mitgliedsstaaten abgleichen müssen; oder, anders ausgedrückt: Man
 hätte als politische Macht auftreten müssen. Das aber will und kann
 diese EU noch nicht. Es wird ihr aber mittelfristig keine andere Wahl
 bleiben. Europa ist nicht mehr nur ein Wirtschaftsclub, der
 Binnenmärkte harmonisieren und sich der Konkurrenz globaler Märkte
 stellen muss. Die EU ist eine Gemeinschaft geworden, die stark genug
 ist, um Menschen dazu zu bringen, ihr Leben zu riskieren, damit sie
 dort leben können. Und die attraktiv genug ist, um in einem Land wie
 der Ukraine Menschen dazu zu motivieren, gegen ihre Regierung
 aufzubegehren. Die EU ist längst ein mächtiges Staatenkonstrukt, das
 aber Angst hat, diese Macht auch einzusetzen. Nur die EU wird dazu
 beitragen können, den Ukraine-Konflikt zu lösen. Die USA wollen und
 können das nicht. Wer Europa kritisiert, sollte daran denken, dass am
 25. Mai Europawahlen sind. Nicht wählen zu gehen und dann zu
 schimpfen ist eine Option. Aber die billigste und feigste.
 
 
 
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