| | | Geschrieben am 21-01-2014 ROG: Neues türkisches Internetgesetz würde Informationsfreiheit massiv einschränken
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 Berlin (ots) - 21.01.2014 - Reporter ohne Grenzen (ROG) ruft das
 türkische Parlament zur Ablehnung des geplanten Internetgesetzes auf.
 Zugleich appelliert die Menschenrechtsorganisation an die
 Repräsentanten der Europäischen Union, den türkischen
 Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan bei seinen heute (Dienstag)
 beginnenden Gesprächen in Brüssel zu grundlegenden Änderungen an dem
 Entwurf zu drängen. Die geplante Reform des Gesetzes Nr. 5651, über
 die in Kürze das Parlament in Ankara beraten soll, würde die
 Möglichkeiten türkischer Behörden zur Überwachung und Zensur des
 Internets drastisch ausweiten.
 
 "Mit diesem Gesetz könnten türkische Behörden praktisch ohne
 rechtsstaatliche Kontrolle beliebige Webseiten wegen kritischer
 Äußerungen über Tabuthemen oder Politiker sperren", sagte
 ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Das Vorhaben fügt sich nahtlos
 in eine Reihe repressiver Reaktionen der türkischen Regierung auf die
 Protestbewegungen seit dem vergangenen Sommer ein. Ministerpräsident
 Erdogan sollte endlich begreifen, dass er Kritik an seiner Politik
 nicht mit immer weiteren Einschränkungen der Presse- und
 Meinungsfreiheit beenden kann."
 
 Schon bisher kann die türkische Aufsichtsbehörde für
 Telekommunikation (TIB) ohne Richterbeschluss Webseiten mit
 "obszönen" Inhalten sperren. Das nun von einem Abgeordneten der
 Regierungspartei AKP eingebrachte Gesetz würde diese Befugnis auf
 Verletzungen der Privatsphäre, diskriminierende oder beleidigende
 Inhalte sowie Maßnahmen zum Schutz von Familie und Kindern erweitern.
 Auch das Kommunikationsministerium soll künftig Sperrungen anordnen
 dürfen.
 
 Wegen der fehlenden richterlichen Kontrolle und der weit gefassten
 Kriterien befürchten Kritiker, dass die Änderungen zu massenhafter
 Zensur führen könnten, zumal die willkürliche Sperrung von
 Internetseiten schon länger gängige Praxis in der Türkei ist
 (http://bit.ly/KBvfNR, http://bit.ly/1iiWHiy). Beobachter warnen, die
 neuen Befugnisse könnten etwa verwendet werden, um Satire-Webseiten
 wie Zaytung (http://www.zaytung.com) und kritische Online-Foren wie
 Eski Sözlük (https://eksisozluk.com, http://bit.ly/1mnSCGU) zu
 sperren.
 
 Die Frist zwischen einem Sperrbeschluss und seiner Umsetzung würde
 nach dem Entwurf von 72 auf 24 Stunden, in "Notfällen" auf vier
 Stunden herabgesetzt. Wer seine Privatsphäre verletzt wähnt, könnte
 sich direkt bei einem Internetanbieter eine Sperre erwirken, die
 ebenfalls binnen vier Stunden wirksam werden müsste. Einsprüche
 sollen nur im Nachhinein möglich sein. Sperrungen auf Anordnung einer
 Staatsanwaltschaft sollen ohne Bestätigung eines Richters gelten und
 von den Strafverfolgern selbst verlängert werden können.
 
 Zusätzlich sollen die Behörden erweiterte technische Möglichkeiten
 der Zensur erhalten: So sollen sie  künftig nicht nur die
 Domain-Bezeichnungen von Webseiten, sondern auch deren IP-Adressen
 sperren können. Dies würde es unmöglich machen, die Zensur durch die
 Verwendung von Proxy-Servern oder ähnlichen Methoden zu umgehen.
 
 In der vorliegenden Form würde das Gesetz das gesamte türkische
 Internet unter die direkte Kontrolle der TIB bringen. Zugleich ist
 geplant, die Behörde weitestgehend vor dem Zugriff der Justiz zu
 schützen. Ermittlungen gegen ihre Angestellten sollen nur mit
 Zustimmung des TIB-Präsidenten möglich sein. Um Entscheidungen des
 Behördenchefs selbst zu überprüfen, wäre die Zustimmung des
 Kommunikationsministers nötig.
 
 Weiterhin ist die Schaffung eines neuen Verbands der
 Internetanbieter geplant, bei dem Anfragen zur Sperrung oder Löschung
 von Inhalten gebündelt werden sollen. Zu befürchten ist, dass dieser
 Verband als zusätzliches Mittel zur Kontrolle der Anbieter fungieren
 wird, der diese zum Einsatz der vorgesehenen Überwachungstechniken
 zwingen könnte. Die Strafen für Anbieter, die Anordnungen zur
 Löschung von Inhalten nicht sofort umsetzen, sollen auf bis zu
 100.000 türkische Lira (33.000 Euro) steigen. In einem
 Parlamentsausschuss wurden sogar Haftstrafen für Anbieter diskutiert,
 die Webseiten nicht wie angeordnet sperren.
 
 Die Internetanbieter sollen verpflichtet werden, die
 Verbindungsdaten ihrer Nutzer ein bis zwei Jahre lang zu speichern
 und auf Verlangen den Behörden zur Verfügung zu stellen. Welche Daten
 erfasst und wozu sie verwendet werden könnten, lässt der
 Gesetzentwurf offen. Experten zufolge dürfte die Speicherung die
 Adressen besuchtet Webseite, Suchanfragen, IP-Adressen und
 Betreffzeilen von E-Mails umfassen.
 
 Die Türkei nimmt Platz 154 von 179 Ländern auf der ROG-Rangliste
 der Pressefreiheit ein. Sie steht seit Jahren auf der Liste der
 Länder, die wegen ihrer repressiven Internetpolitik unter besonderer
 Beobachtung stehen (http://bit.ly/KBvfNR).
 
 
 
 Pressekontakt:
 Reporter ohne Grenzen
 Ulrike Gruska / Christoph Dreyer
 presse@reporter-ohne-grenzen.de
 www.reporter-ohne-grenzen.de
 T: +49 (0)30 609 895 33-55
 F: +49 (0)30 202 15 10-29
 
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