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Badische Zeitung: Neue Unruhen im Irak / Folgen einer Lebenslüge Leitartikel von Thomas Fricker

Geschrieben am 08-01-2014

Freiburg (ots) - Geht das jetzt schon wieder los? So haben wohl
viele Bürger hierzulande auf die jüngsten Nachrichten aus dem Irak
reagiert. Seit Monaten war es dort zu Anschlägen gekommen. Die Welt
hatte weggeschaut. Doch nun haben islamistische Kämpfer Städte
besetzt, darunter Falludscha, eines der Symbole für die Grauen des
Irakkriegs schlechthin. Nuri al-Maliki, der starke Mann im heutigen
Irak, fordert die Bewohner zum Widerstand auf. Andernfalls müssten
die dort lebenden Sunniten damit rechnen, den al-Qaida-nahen
Terroristen zugerechnet und entsprechend behandelt zu werden, lautet
Teil zwei seiner Botschaft. Die USA schicken Waffen - und halten
sich ansonsten zurück. Derweil festigen die Islamisten ihre
Machtbasen nicht nur im Irak, sondern auch in Syrien und dem Libanon.
Muss uns das interessieren? Mehr als uns lieb sein mag. Die
Nachrichten sind alarmierend - und zwar nicht, weil nun ein alter
Streit noch einmal geführt werden darf: War der Feldzug gegen Saddam
Hussein richtig oder nicht? Natürlich sehen sich die Kriegsgegner
von einst bestätigt. Der Zerfall des Zweistromlandes wurde
schließlich damals schon als Folge des Diktatorensturzes prophezeit.
Indes bringt das Schlagen geschlagener Schlachten auch Pazifisten
nicht weiter. Der Irak hätte sich auch friedlicher entwickeln
können. Warum der dazu nötige Kurs allenfalls halbherzig
eingeschlagen wurde und wer dafür verantwortlich ist, sind die
Fragen, die es zu beantworten gilt, wenn das endgültige Abgleiten der
Region in neuen Bürgerkrieg verhindert und eine Lehre aus dem
Desaster gezogen werden soll. Ein Fehler war mit Sicherheit die
mangelhafte Einbindung der Sunniten in den Nachkriegsirak. Unter dem
Sunniten Saddam Teil der Elite, fand sich das vormals dominierende
Drittel der Bevölkerung oft ausgegrenzt wieder. Die schiitische
Mehrheit etablierte neue Führungsstrukturen, die irakischen Kurden
strebten nach Autonomie, prompt schürten Extremisten Spannungen, der
Irak spaltete sich entlang religiöser und ethnischer Linien. Die USA
als Invasoren aber waren der eigenen Opfer lange schon müde.
Spätestens unter Barack Obama gab es nur noch ein Ziel: raus und zwar
schnell. Dass Washington vorher seine Truppen noch einmal aufstockte,
ist kein Widerspruch. Man wollte kurzzeitig Ruhe schaffen - um die
Chancen einer irakischen Regierung zu verbessern, aber auch aus
Selbstschutz. Obama wollte für spätere Unruhen nicht mehr
verantwortlich gemacht werden können. Es gehört zu den Lebenslügen
amerikanischer wie westlicher Sicherheitspolitik, zu glauben, man
könne in einem Land erst intervenieren und es dann ein paar Jahre
später wieder seinem Schicksal überlassen. Das Gegenteil trifft zu:
Aus der Intervention erwächst langfristige Verantwortung. Sonst ist
man zu dem gezwungen, was die USA gerade mit dem Schiiten al-Maliki
tun: Sie unterstützen einen Regierungschef, der mit seiner böswillig
gegen die Sunniten gerichteten Politik die Krise im Irak erst richtig
entfacht hat. Dies wiederum mobilisiert all diejenigen Kräfte, die
sich für Verbündete der Sunniten halten und die schon heute mal
den Irak als Rückzugsraum für den Kampf in Syrien und mal Syrien als
Basis für Operationen im Irak nutzen. Mit ihrem Extremismus könnten
sie eines Tages selbst Schlächter wie Baschar al-Assad in Syrien als
kleineres Übel erscheinen lassen. Den Irak haben die US-Amerikaner
mit ihren letzten Kampftruppen vor zwei Jahren verlassen. In
Afghanistan steht dieser Abzug, auch der Bundeswehr, dieses Jahr
auf der Agenda. Ungeachtet gegenteiliger Beteuerungen ist bisher
nicht klar, in welcher Größenordnung und mit welchen Befugnissen dann
noch Soldaten der Nato am Hindukusch stationiert bleiben. Als
Rückversicherung wäre ihre Präsenz aber zwingend vonnöten - um einen
zweiten Irak zu verhindern.



Pressekontakt:
Badische Zeitung
Schlussredaktion Badische Zeitung
Telefon: 0761/496-0
redaktion@badische-zeitung.de


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