Hagen (ots) - Wenn die größte Nation Europas in die Wahlkabine 
geht, ist das immer eine entscheidende Weichenstellung. Mag die 
Wahlkampfführung selbst auch als themenarm oder langweilig empfunden 
worden sein: Jetzt ist es richtig spannend. Denn die Prognosen sind 
so knapp, dass man sie am besten ignoriert. Daher veröffentlicht 
diese Zeitung auch keine Last-Minute-Umfragen mehr. Der Wähler ist 
der Souverän, und er ist mündig genug, seine Entscheidung zu treffen.
Da benötigt er keine taktischen Vorgaben für gedankliche Spielereien,
wie er Erst- und Zweitstimme verteilt. Er muss sich entscheiden, weil
Deutschland sich entscheiden muss.
class="zwischentitel rot">Die KanzlerwahlEs 
ist nahezu sicher, dass auch der künftige Kanzler der Bundesrepublik 
gebürtiger Hamburger sein wird. Merkel wie Steinbrück, diese so 
unterschiedlichen Charaktere und Biografien, wurden beide mit 
Elbwasser getauft. Dazwischen spannt sich der ganze geschichtliche 
Bogen der beiden Deutschlands und ihrer Wiedervereinigung. Und es ist
mutmaßlich kein Zufall, dass alte hanseatische Tugenden in 
Gesamtdeutschland wählbar erscheinen: Seriosität, Nüchternheit, 
Verlässlichkeit. Für wen die Bundestagswahl eine Kanzlerwahl ist, der
sollte sich nicht auf Mätzchen einlassen. Für den ist die Zweitstimme
klar.
Die 
ParteienwahlSie ist nur dann kompliziert, wenn
Kanzlerwahl und Parteienwahl vermischt werden. Dann kommen die 
Koalitionskalkulationen ins Spiel, die zum taktischen Wählen 
verführen. Schließen sich massenhaft Wähler einer 
Zweitstimmenkampagne an, kann es zu erheblichen Verschiebungen im 
politischen Gelände kommen. Ob diese dann vom Wähler tatsächlich 
gewollt wurden, darf man bezweifeln. Am sichersten wählt man, was man
auch programmatisch will.
Die KandidatenwahlZu Unrecht wird die 
Erststimme als minderwichtig betrachtet. Es ist schon entscheidend, 
welcher Kandidat meine Region im Bundestag vertritt. Und ebenso 
wichtig ist, welchem Kandidaten ich mein Vertrauen ausspreche, auch 
wenn er vermutlich den direkten Einzug in den Bundestag nicht 
schaffen wird.
Die 
WahlenthaltungSie gilt als staatsbürgerliche 
Flucht. Und wenn sie aus Desinteresse oder Faulheit entspringt, kann 
man sie auch mit Fug und Recht tadeln. Anders aber ist es, wenn sie 
einem grundsätzlichen Einverständnis entspringt, Deutschland sei so 
übel nicht regiert worden, und das politische System werde es 
schließlich schon richten. Diese Einstellung ist fahrlässig, aber 
zulässig. Das bessere Votum für die ganz und gar Unentschlossenen 
oder Unzufriedenen aber wäre: Den Verzicht durch einen leeren 
Wahlzettel auszudrücken. Dann hat man wenigstens der Bedeutung des 
Wahlrechts die Ehre erwiesen.
Die ProtestwahlWählen kann man nur für, 
nicht gegen etwas. Bündnisse, die etwas anderes anbieten, täuschen 
den Souverän für einen kurzfristigen Erfolg. Und die Erfahrung lehrt,
dass in der Regel die Aufmerksamkeit für solche Gruppen nach kurzer 
Zeit wieder erlischt. Die Stimmen, die wir Sonntag abgeben, müssen 
aber vermutlich vier Jahre wirken. 
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