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Südwest Presse: Leitartikel: Koalition

Geschrieben am 15-05-2007

Ulm (ots) - Zu einer Abstimmung über den Mindestlohn wollte die
SPD die Wahl in Bremen im Wahlkampf hochstilisieren. Gemessen an den
Verlusten der Sozialdemokraten war das ein Rohrkrepierer. Allerdings
handelte es sich nur um eine bessere Stadtratswahl. Da sind lokale
Themen ausschlaggebend, nicht der Mindestlohn. Ob dieser als Argument
bei der nächsten Bundestagswahl taugt, ist allerdings auch offen: Da
spielen viele Themen eine Rolle.
Zumindest wird es immer wahrscheinlicher, dass die SPD damit
tatsächlich in die Wahl ziehen kann. Eine Einigung in der großen
Koalition, ob auf 6,50 oder 7,50 Euro pro Stunde, bleibt
unwahrscheinlich. Das ist kein Schaden. Schließlich warnt die
Mehrzahl der Fachleute, ein solcher Zwangseingriff in den
Arbeitsmarkt gefährde Hunderttausende von Stellen von
Geringverdienern. Zwar wiegt das Argument schwer, dass sich Arbeit
lohnen muss. Zumindest ein Lediger sollte so viel verdienen, dass er
mehr bekommt als ein Langzeitarbeitsloser vom Staat. Aber ein
Arbeitsplatz plus ein staatlicher Zuschuss sind allemal besser als
der Anspruch auf einen gesetzlichen Mindestlohn ohne die Aussicht auf
eine Stelle.
Weil die Union nicht nachgeben will, wird das Klima in der Koalition
deutlich rauer. Kein Wunder: Für die SPD ist der Mindestlohn nicht
nur ein Herzensthema. Sie hofft auch, damit mehr Wähler zu gewinnen
und auch bei der reichlich unzufriedenen Parteibasis Punkte zu
sammeln. Doch das hilft Beck & Co wenig, solange sie deswegen die
Koalition nicht platzen lassen wollen. Das wäre im Moment eine hoch
riskante Sache: Die Umfragewerte der SPD sind miserabel. Ein Bündnis
von Union mit der FDP wäre viel wahrscheinlicher als eine
Ampel-Koalition. Zumal bei dieser die Liberalen kaum mitspielen
dürften.
Das weiß natürlich Angela Merkel. Dennoch ist die Kanzlerin und
CDU-Vorsitzende gut beraten, die SPD nicht ständig im Regen stehen zu
lassen. Wenn deren Führung zu sehr unter Druck gerät, könnte sie
irgendwann irrational reagieren. Kein Wunder, dass die
Sozialdemokraten herausstreichen dürfen, wie viel sie bei den
Krippenplätzen durchgedrückt haben - hauptsächlich wird gleichwohl
CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen die Lorbeeren ernten.
Im Prinzip sind mehr Krippenplätze der einzig richtige Weg. Doch die
Einigung im Koalitionsausschuss hat mehr als Schönheitsfehler: Es
gibt zu viele ungedeckter Schecks. Es ist unseriös, 500 000
zusätzliche Krippenplätze zu versprechen, ohne zugleich die
Finanzierung zu klären. Zudem nötigt der Bund Länder und Gemeinden,
jeweils mindestens vier Milliarden Euro bis 2013 aufzubringen, ohne
zu sagen, wo sie das Geld hernehmen sollen. Auch könnten 750 000
Plätze schnell zu wenig sein, wenn es erst einen Rechtsanspruch gibt.
Besonders ärgerlich ist das Betreuungsgeld für Mütter, die bis zum
dritten Geburtstag ihres Kindes zu Hause bleiben - eine Lieblingsidee
der CSU, die immer noch dem traditionellen Familienbild anhängt. Zwar
birgt es Probleme, wenn der Staat Eltern bevorzugt, die nach der
Geburt rasch an den Arbeitsplatz zurückkehren. Aber abgesehen davon,
dass sie dann Steuern und Sozialbeiträge zahlen: Völlig unklar ist,
woher die fälligen Milliarden für die Daheim-Betreuungshilfe kommen
sollen. Der Staat hat zu wenig Geld, um es mit der Streubüchse zu
verteilen. In der Hochkonjunktur neue Wohltaten zu versprechen, wird
rasch zum unkalkulierbaren Risiko.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=59110
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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