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Berliner Morgenpost: Endlich wieder Bewegung in der Regierungspolitik - Leitartikel

Geschrieben am 22-10-2009

Berlin (ots) - Es geht Schlag auf Schlag: Noch verhandeln die
Spitzen von CDU, CSU und FDP über den Koalitionsvertrag, da sickerte
gestern ein Beschluss nach dem anderen durch. Verkürzung der
Wehrpflicht, Überprüfung der Praxisgebühr, Umsatzsteuer für kommunale
Betriebe wie Müllunternehmen, Absage an den Schattenhaushalt, 20
Milliarden Euro für die Sozialversicherungssysteme. Die Liste der
Neuigkeiten ist umfangreich, die Aufregung darüber mindestens genauso
vielfältig. Wie gut das tut.
Denn erinnern wir uns: Groß war die Kritik in den vergangenen Jahren
an der großen Koalition, an der Unbeweglichkeit dieser Regierung aus
Union und SPD, wo jede Seite Rücksicht auf die andere nehmen musste
und zum Schluss nur noch mühsam Kompromisse gefunden wurden. Oder
wichtige Entscheidungen wie zur Reform der Jobcenter, deren Ziel es
war, die Erwerbslosen besser zu betreuen, vertagt wurden. In der
Hoffnung auf einen Regierungswechsel, auf eine neue Koalition. Die
gibt es nun - und die will offenbar viel verändern.
Beispiel Wehrpflicht. Sollte die allgemeine Wehrpflicht wirklich, wie
gestern aus den Reihen der Unterhändler verlautete, von neun auf
sechs Monate verkürzt werden, so wäre dies ein weiterer Schritt hin
zu einer Berufsarmee in Deutschland. Und ein Zeichen, dass sich die
FDP als neuer Koalitionspartner durchgesetzt hat. Denn die Liberalen
plädieren schon seit Langem für die Abschaffung des Wehrdiensts und
für die Schaffung einer Freiwilligenarmee. Dafür gibt es gute Gründe,
wie die zunehmende Zahl der Auslandseinsätze. Einen Wehrpflichtigen
kann man nicht nach Afghanistan schicken, einen Berufssoldaten
dagegen schon. Außerdem werden derzeit nur noch 15 Prozent eines
Jahrgangs eingezogen, was natürlich nicht mehr gerecht ist. Es gibt
aber auch etliche Gründe, die gegen eine solche Berufsarmee sprechen
- die deutsche Geschichte und ihre leidvollen Erfahrungen, der gute
Grundgedanke, dass alle jungen Männer einen Dienst an der
Gesellschaft leisten müssen, sei es als Bundeswehrsoldat oder als
Zivildienstleistender in einem Pflegeheim.
Trotzdem: Schwarz-Gelb traut sich was.
Noch mehr Aufregung hat der geplante Schattenhaushalt in den
vergangenen Tagen ausgelöst. Darf man einen solchen Haushalt für die
Defizite bei der Arbeitslosen- und Krankenversicherung einführen?
Oder ist das verfassungswidrig, praktisch eine Bilanzfälschung? Nach
der harschen Kritik vonseiten der neuen Opposition ließ die künftige
Regierung das Konstrukt noch einmal prüfen - nun soll es diesen
Sonderfonds frühestens im nächsten Jahr geben. Die Finanzlöcher in
den Sozialversicherungssystemen wollen Union und FDP jetzt direkt mit
rund 20 Milliarden Euro stopfen. Das wird voraussichtlich nicht ohne
die Aufnahme neuer Schulden gehen. Dass das die richtige Lösung ist,
kann man getrost bezweifeln.
Wenn der Koalitionsvertrag am Wochenende vorgelegt wird, wird es noch
sehr viel mehr Grund zur Diskussion geben. Das Gute ist: Endlich ist
wieder Bewegung in der Politik.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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