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Berliner Morgenpost: Der Föderalismus ist besser als sein Ruf - Kommentar

Geschrieben am 06-02-2009

Berlin (ots) - Die Politik hat sich ein Stück Bescheidenheit
auferlegt. Nicht sofort und auch nicht zu viel. Aber immerhin. Wie
die Demokratie insgesamt ist auch der Föderalismus ein mühsames, weil
von Interessen geleitetes Geschäft. Dass sich Bund und Länder jetzt
doch noch zum Einbau einer Schuldenbremse in die Verfassungen
durchgerungen haben, ist zumindest ein kleiner Fortschritt angesichts
der neuen Rekordverschuldung zur Minderung der aktuellen Krisen und
eines Gesamtschuldenstandes aller öffentlichen Haushalte von 1,553
Billionen Euro - die einer Pro-Kopf-Verschuldung in Deutschland von
rund 19000 Euro entsprechen. Der Marsch in den Schuldenstaat
ist längst angetreten. Höchste Zeit also, ihn abzubremsen.
Mehr als eine sehr bescheidene Drosselung der Marschgeschwindigkeit
ist dabei vorerst nicht herausgekommen. Den Ländern wird bis 2020
eine Schonfrist eingeräumt. Erst danach haben sie, zumindest in
normalen Wirtschaftsjahren, ausgeglichene Haushalte zu verabschieden.
Der Bund nimmt sich gar das Recht heraus, auch künftig neue Schulden
zu machen, allerdings limitiert auf 0,35 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts. Das ist wahrlich kein berauschendes Ergebnis
auch angesichts dessen, dass das hoch verschuldete Berlin dank einer
rigorosen Sparpolitik bereits 2008 in der Lage war, mit einem
ausgeglichenen Haushalt abzuschließen.
Aber die Einigung zwingt letztlich doch alle, angesichts der Hürde
einer Verfassungsnorm künftig sparsamer mit den Steuermitteln
umzugehen. Denn nur dann greift auch die letztlich doch wieder
praktizierte Solidarität zwischen armen und reichen Ländern. Dass
Letztere zusammen mit dem Bund den armen Schluckern finanziell auf
die Beine helfen wollen, damit auch sie ab 2020 ohne neue Kredite
auskommen, zeugt von gesamtstaatlicher Verantwortung. Der so oft
geschmähte Föderalismus ist bei allen unüberhörbaren Misstönen besser
als sein Ruf.
Natürlich wäre mehr wünschenswert gewesen. Auch deshalb, weil das
ursprüngliche Ziel der Föderalismuskommission II ein viel weiter
gestecktes war. Sie sollte die ganzen verschlungenen
Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu regeln und dabei
einerseits für wieder klar erkennbare Verantwortlichkeiten sorgen und
andererseits Anreize zur Selbstheilung für die armen Länder schaffen.
Die letzte große selbst gesteckte Aufgabe der großen Koalition ist
auch deshalb nicht überzeugend gelöst worden, weil die gesamte
Altschuldenproblematik in Bund und Ländern (1,553 Billionen Euro)
wegen unüberbrückbarer Meinungsverschiedenheiten schon vor Monaten
ausgeklammert wurde.
Als Fazit bleibt das "Immerhin", wenn im letzten Augenblick nicht
alles doch noch an den offenen Details scheitert. Alle
Landesregierungen müssen in normalen Zeiten spätestens ab 2020 mit
dem Geld auskommen, das sie von den Bürgern einnehmen. Wenn auch
spät, ist die Zeit der Politik auf Pump dann endlich vorbei. Die
Bürger allerdings sollten sich nicht täuschen. Sie werden es spüren.
Künftige Generationen weniger. An den ihnen hinterlassenen Schulden
ändert der jetzt errungene Kompromiss nichts.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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