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Südwest Presse: Kommentar zur SPD

Geschrieben am 03-11-2008

Ulm (ots) - Als Heide Simonis am 17. März 2005 von einem
Heckenschützen aus den eigenen Reihen in vier quälenden Wahlgängen
erledigt wurde und damit auch das Ende von Rot-Grün in Berlin
absehbar war, da soll dem damaligen Bundeskanzler und SPD-Chef
Gerhard Schröder vor Vertrauten der Kommentar "Diese Partei ist nicht
regierungsfähig" entfahren sein.
Zumindest auf die hessische SPD gemünzt gilt diese Einsicht seit
gestern mehr denn je. Denn die Vorstellung, die die Sozialdemokraten
in Wiesbaden seit ihrem gefühlten Wahlsieg im Januar abgeliefert
haben, dürfte es selbst eingefleischten Genossen im Nachbarland
schwer machen, ihrer Partei einstweilen noch Vertrauen zu schenken.
Natürlich trägt die Pleiten- und Pannenserie zuallererst den Namen
Andrea Ypsilanti. Ob die vollmundige Festlegung vor der Wahl, nicht
mit der Linken zu kooperieren, ob der schnelle Bruch des
Wahlversprechens nach dem Urnengang am 27. Januar, der überhastete
erste Anlauf auf das Ministerpräsidentenamt oder der gründlich
vorbereitete, aber in der Endphase vermurkste zweite - das Desaster
der hessischen SPD hat sie zu verantworten.
Es gibt nur eine Antwort: den Rückzug von allen politischen Ämtern.
Die Arbeitertochter aus Rüsselsheim muss ihre schillernde Biographie
von der Flugbegleiterin über die Prinzengattin bis zur Juso-Chefin
und Referatsleiterin beim damaligen hessischen Regierungschef Hans
Eichel um eine neue Facette bereichern - außerhalb der Politik.
Keineswegs mit Ruhm bekleckert haben sich Ypsilantis Gegner in den
eigenen Reihen. Nur die Darmstädter Abgeordnete Dagmar Metzger hat
von Beginn an offen und gradlinig das Experiment mit der Linken
abgelehnt. Ihre drei Mitstreiter, die sich erst gestern zum Nein
bekannten, haben der SPD mit dem langen Zögern einen Bärendienst
erwiesen. Ypsilantis Vize Jürgen Walter muss sich sogar vorwerfen
lassen, vor allem das eigene Wohl im Auge gehabt zu haben. Erst als
seine Ministerträume geplatzt waren, wuchsen sich die Bedenken gegen
den zuvor selbst mit ausgehandelten Koalitionsvertrag plötzlich zur
Gewissensfrage aus.
Das SPD-Debakel in Wiesbaden entfaltet jedoch Wirkung weit über die
hessischen Landesgrenzen hinaus. Wo immer ein Bündnis von SPD und
Linker möglich sein wird - zuerst wohl im kommenden August im
Saarland - das gegenseitige Misstrauen wird groß sein und vor allem
wird keiner der Matadoren es mehr wagen, vor der Wahl mit verdeckten
Karten zu spielen.
SPD-Chef Franz Müntefering, dem die größer gewordene Distanz zur
Linken durchaus in den Kram passt, kann trotzdem wenig fröhlich sein
angesichts der gestrigen Volte. Für die Ablehnung, die Müntefering
und Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier die hessischen Genossen
haben spüren lassen, wird sich die Parteilinke revanchieren.
Münteferings Versuch, die Sozialdemokraten geschlossen ins große
Wahljahr 2009 zu führen, hat mit dem blamablen Scheitern Ypsilantis
einen herben Rückschlag erlitten. Alles andere als vertrauensbildende
Wirkung entfaltet der Vorgang auch auf die Grünen, potentieller
Bündnispartner der SPD.
In der Union und besonders im Lager Roland Kochs reibt man sich die
Hände über das spektakuläre Aus für Ypsilantis Pläne. Doch die
Schadenfreude ist trügerisch. Koch hat sich mit seinem missglückten
Exkurs zum Thema Jugendkriminalität im Wahlkampf und seinem
anschließenden, für einen Amtsinhaber miserablen Abschneiden bei der
Wahl eigentlich disqualifiziert für einen neuen Anlauf. Neuwahlen mit
neuen Spitzenkandidaten sind die glaubwürdigste Antwort auf die
Regierungskrise, die CDU und SPD den Wählern in Hessen jetzt machen
können. Ob sie die Größe aufbringen?

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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