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Lausitzer Rundschau: Spiel mit der Unsolidarität Zum Streit über den Länderfinanzausgleich

Geschrieben am 05-02-2013

Cottbus (ots) - Nicht, dass es keine Probleme gäbe. Nur noch drei
Einzahler-, aber inzwischen 13 Nehmerländer, da läuft etwas schief
beim Länderfinanzausgleich. Und ist Berlin, das den Löwenanteil
bekommt, und zwar jedes Jahr mehr, nicht geradezu der Beweis der
Leistungsfeindlichkeit dieses Systems? Es gibt Bedarf nach einer
Reform. Aber eben nach Reform, nicht nach Abschaffung. Die
Nehmerländer sperren sich ja gar nicht grundsätzlich gegen
Veränderungen, es wird schon verhandelt. Bis 2019 muss es ohnehin
Neuberechnungen geben, weil dann der Solidarpakt für den Osten
ausläuft. Wenn Hessen und Bayern jetzt trotzdem beim
Verfassungsgericht klagen, dann hat das vor allem einen Grund:
Wahlkampf. Noch in jedem Land, wo reiche gegen arme Regionen stehen,
finden sich Argumente, wie sie jetzt Bayern und Hessen anführen.
Italiens Norden hat sie gegen den Mezzogiorno, Katalonien gegen
Spanien, Flandern gegen Belgien. Und immer erzählen sie nicht die
ganze Wahrheit. Das so scharf angegriffene Berlin zum Beispiel hat
durch Krieg und Mauerbau unverschuldet seine wirtschaftliche Substanz
verloren und genau jene Länder fett gemacht, die sich jetzt so dicke
geben. Bayern mit der Elektroindustrie, Hessen mit den Banken.
Hamburg mit den Verlagen. Und nun integriert Berlin auch noch die
ausgeblutete ehemalige Hauptstadt der DDR. Außerdem nimmt die Stadt
seit Jahrzehnten den Westländern die aufmüpfige, aber meist
mittellose Landjugend ab, die dann Schwaben-Debatten auslöst.
Vielleicht muss man Berlin und den andern Ostländern auf andere Weise
helfen. Aber helfen muss man. Außerdem gibt es nicht nur Geldströme
weg von den reichen Ländern, es gibt auch welche in sie hinein.
Hessen und Bayern sind Sitz von Konzernzentralen und Banken. Die
Körperschaftssteuer vieler bundesweit tätiger Firmen wird bei ihnen
abgeführt und die Kapitalertragsteuer ebenfalls. Beide Länder können
nicht im Ernst meinen, dass diese aus organisatorischen Gründen bei
ihnen gelandeten Steuereinnahmen künftig nicht mehr umverteilt werden
sollen. Oder die Gemeindefinanzen: Die in den Südländern aufgrund
ihrer ökonomischen Stärke bessere Finanzkraft der Kommunen ist bisher
im Länderfinanzausgleich noch gar nicht berücksichtigt. Oder die
Ökostromumlage: Berliner oder nordrhein-westfälische Mieter zahlen
auch für die vielen Solarpanele und Biogasanlagen auf bayerischen
Höfen. Würde man alle diese Geldströme in eine wirkliche gerechte
Reform einbeziehen, und nicht nur den Länderfinanzausgleich, der nur
2,5 Prozent des gesamten Steuervolumens der Länder betrifft, dann
käme für die Geberländer eine weit geringere Entlastung heraus, als
sie jetzt ihren Wählern suggerieren. Das ist das Gift dieser Klage
nicht wert. Vorausgesetzt freilich, man bleibt bei dem im Grundgesetz
festgehaltenen Ziel der "Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im
Bundesgebiet". Zielt der Angriff in Wirklichkeit darauf? Dafür
spricht der Vorschlag der beiden Länder, eine begrenzte
Steuerautonomie der Länder einzuführen. Damit soll ein Wettrennen der
Regionen mit Steuerdumping gestartet werden. Wer ist schneller, der
mit dem rostigen Fahrrad oder der mit dem Porsche? So stellen sie es
sich vor, auch die Bayern, die offenbar vergessen haben, dass sie
einmal selbst Nehmerland waren. Die Menschen, die derartigen
Verlockungen bei den Landtagswahlen folgen sollen, mögen sich selbst
fragen, ob eine solche Politik am Ende wirklich bei ihnen ankommen
würde, bei sozialen Leistungen, Kindergärten, Schulen.
Erfahrungsgemäß hat Unsolidarität im Land den Armen noch nie genützt.
Nirgendwo.



Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de


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