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Mittelbayerische Zeitung: Schwarz-Gelb in Bayern provoziert das eigene Ende Im Januar zeigt sich, ob Horst Seehofer Neuwahlen riskiert und die FDP alles auf eine Karte setzt. Leitartikel von Christine

Geschrieben am 16-11-2012

Regensburg (ots) - Niemals zu sicher fühlen: Diese Lektion braucht
die Politik immer wieder neu. Es ist atemberaubend, wie rasch sich
nach der Zulassung des Volksbegehrens gegen Studiengebühren über
Schwarz-Gelb dunkle Wolken zusammengebraut haben und wie schnell CSU
und FDP in dieser ungemütlichen Wetterlage gegeneinander in die
Schlacht gezogen sind. Davor schien für das Regierungsbündnis alles
auf gutem Weg, die Opposition weit auf Distanz. Nun aber provoziert
Schwarz-Gelb das eigene Ende. Selbst wenn man aus Räson bis zur
Landtagswahl 2013 zusammenbleiben sollte, ist klar: der Wechselwille
ist derzeit im Regierungslager mindestens so groß wie in der
Opposition. Wie will man im Wahlkampf irgendjemand glauben machen,
dass man die Zusammenarbeit gerne fortsetzen würde? Nach vier Jahren
ist die nie besonders herzliche Beziehung auf neuem Tiefpunkt. Der
Streit um die Studiengebühren entwickelt unkontrollierbare
Eigendynamik. Beim FDP-Landesparteitag am Wochenende legen die Jungen
Liberalen mit einem Dringlichkeitsantrag nach. Tenor: Nur nicht
gegenüber der CSU klein beigeben. Seit Beginn der Krise wird mehr
über als miteinander geredet. Ministerpräsident Horst Seehofer
verkündete via Medien, dass mit der Koalitionsdisziplin für die CSU
Schluss ist, wenn das Volksbegehren bei der Eintragungsfrist in der
zweiten Januarhälfte die nötige Zahl von rund 950 000 Unterschriften
erreicht. FDP-Fraktionschef Thomas Hacker ließ Seehofer via
Landtagspresse ausrichten, dass in diesem Fall der Koalitionsbruch
ohne weiteres Reden perfekt ist. Schon gleich nach der
Urteilsverkündung im Oktober kam Sand ins Getriebe: Aus der
FDP-Spitze waren Wirtschaftsminister Martin Zeil und Hacker zu dieser
Zeit in den USA und Kanada - sie unterschätzten weit weg und in einer
anderen Zeitzone die Lage. Die CSU daheim in Bayern preschte vor und
vergaß , wie so gerne, vorher den Koalitionspartner zu fragen. Die
schwerste Krise von Schwarz-Gelb in Bayern ist auch eine
Kommunikationskrise. Keiner kann nun seine Stellungen ohne
Gesichtsverlust verlassen. Die CSU mit 92 Abgeordneten wird sich von
der 16 Mitglieder starken FDP nicht lange vorführen lassen. Wobei die
Liberalen selbst nicht so felsenfest hinter Studiengebühren, wie es
Hacker gerne hätte. Die ostbayerischen Abgeordneten Andreas Fischer
und Thomas Dechant verweigern ihm die Gefolgschaft - sie werden sich
bei Abstimmungen bestenfalls nur der Stimme enthalten. Zwei weitere
liberale Abgeordnete, die ebenfalls ins Wanken gekommen waren, konnte
er auf Parteilinie bringen. Jenseits des Pulverdampfs: Gegner und
Befürworter der Studiengebühren verfügen über schlüssige
Argumentationsketten. Die einen haben die Finanzen des Staates im
Blick. Etwa 180 Millionen Euro müssen bei einer Abschaffung jedes
Jahr an den Hochschulen kompensiert werden. Auch das reiche Bayern
hat bekanntlich hohe Schulden. Die Gegenseite sieht es als zentrale
gesellschaftspolitische Aufgabe, eine Hürde zu beseitigen, die sozial
Schwächere trotz aller Härtefallregelungen das Studieren schwer
macht. Eine Position, mit der Seehofer immer sympathisierte - auch
wenn er das seit seinem Amtsantritt aus mehr oder weniger guten
Gründen nie so laut bekundete wie jetzt. Erst ließ die Finanzlast der
BayernLB-Affäre wenig Spielraum. Sein Vorstoß gegen die Campus-Maut
im Sommer 2011, als sich auf den Konten der Hochschulen
Studiengebühren in in dreistelliger Millionenhöhe angesammelt hatten,
wurde von CSU und FDP energisch weggebügelt. So hat jetzt auch die
CSU-Fraktion das größte Glaubwürdigkeitsproblem. Im Januar kommt es
zum Schwur: Das Volksbegehren hat aller Voraussicht nach die nächste
Hürde genommen. Die Landtagswahl in Niedersachsen ist vorüber - und
Bayern womöglich das einzige verbliebene Bundesland mit Campus-Maut.
Neue, wichtige Umfrageergebnisse liegen in den Parteizentralen. Dann
wird sich zeigen, ob die CSU vorzeitige Neuwahlen riskiert und die
FDP es darauf ankommen lässt, wacker die eigene Meinung zu vertreten
und dafür unterzugehen.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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