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WAZ: Ermittlungen gegen Journalisten: Ein dreister Angriff auf die Pressefreiheit - Leitartikel von Ulrich Reitz

Geschrieben am 03-08-2007

Essen (ots) - Journalisten vorzuwerfen, Geheimnisse zu verraten,
ist ungefähr so plump wie Metzgern entgegenzuhalten, sie wären für
den Tod von Nutztieren verantwortlich. Natürlich verraten
Journalisten Geheimnisse, was denn sonst? Allein der Terminus
Geheimnisverrat ist der schnöde Versuch von Bürokraten und
Parteipolitikern, mit Sprache Stimmung zu machen. Denn Journalisten
betreiben keine Spionage im Auftrag einer fremden, oft
unappetitlichen Staatsmacht. Sie werden dem Aufklärungsinteresse der
Öffentlichkeit gerecht. Im aktuellen Fall geht es immerhin um die
Frage, ob die frühere Regierung im Fall Kurnaz skandalös daneben
gehauen hat.

Bedenklich ist das Staatsverständnis jener Parlamentarier aus dem
Bundestag, die parteiübergreifend das flächendeckende Vorgehen gegen
Journalisten für richtig halten. Sie beanspruchen nämlich gegen die
Öffentlichkeit eine abgeschottete Zone für sich, was nichts anderes
ist als ein hässlicher, obrigkeitsstaatlicher Reflex.

Selbst juristisch ist der Vorgang problematisch. Wenn das
Zitieren aus vertraulichen oder geheimen Papieren schon "Beihilfe"
zum Geheimnisverrat sein soll, ließe sich so gut wie jede brisante
Veröffentlichung damit strafrechtlich verfolgen. Im Übrigen ist noch
sehr die Frage, ob das neuerliche Vorgehen der Staatsanwälte mit dem
"Cicero"-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vereinbar ist: Die
Veröffentlichung von Dienstgeheimnissen reicht demnach ausdrücklich
nicht aus, um den Vorwurf der Beihilfe zu begründen.

Im Kern handelt es sich, nach einer Reihe ähnlicher Vorgänge,
wieder einmal um den dreisten Versuch der Einschüchterung von
Journalisten. Führen wird er nach Lage der Dinge zu nichts.
Gestandene Journalisten vom Spiegel, der Süddeutschen, (unseres
Hauses), usw. haben schon längst keine Angst mehr vor wildgewordenen
Staatsanwälten. Sie würden im Übrigen, selbst wenn es denn
tatsächlich einmal zu einem Gerichtsverfahren käme, eher in Beugehaft
gehen als einem Richter einen Informanten preiszugeben (schon allein
für diese neue Story!).

Für Journalisten ist der Schutz von Informanten eines der
höchsten Güter: Informanten muss man sich vorstellen als mutige
Menschen; sie riskieren viel. Gerade darum müssen sie sich ganz
grundsätzlich auf Journalisten verlassen können. Wobei klar ist: Je
brisanter der Fall, umso mehr ist journalistische Verantwortung
gefragt. Aber der Job des Journalisten ist es eben gerade nicht, dem
Staat bei Vertuschung zu helfen.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : feed://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de


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