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Berliner Morgenpost: Viel bestaunt und schlecht beraten

Geschrieben am 25-04-2010

Berlin (ots) - Ja, so geht das, wenn man als relativ unerfahrene
Landespolitikerin auf einmal in die Mühlräder der großen Politik
gerät, die man doch, zumindest so, noch gar nicht drehen wollte. Dann
steht man plötzlich da wie ein begossener Pudel. Und das, obwohl man
exakt eine Woche zuvor noch der gefeierte Medienstar war, die erste
deutsche Ministerin mit Migrationshintergrund, eine Muslima auch
noch, in der CDU. Aygül Özkan wurde bestaunt wie ein kleines
Weltwunder, sie sonnte sich auch ein wenig in diesem Glanz. Auch
Christian Wulff sonnte sich. Und die Union insgesamt. Man war ein
bisschen stolz auf diesen Coup. Nun ist man im Nachhinein immer
schlauer, aber fest steht, dass die Dinge an diesem Wochenende ein
wenig außer Kontrolle geraten sind. Nicht weil die designierte
Ministerin eine Position vertritt, die im Grunde die ist, die das
Bundesverfassungsgericht in seinem Kruzifix-Urteil festgeschrieben
hat: Staatliche Schulen sind zur Neutralität verpflichtet; wenn
jemand es darauf anlegt, müssen christliche oder eben auch andere
religiöse Symbole aus den Klassenzimmern entfernt werden. Wer schon
ein bisschen länger unterwegs ist in unserem politischen System,
erinnert sich, welch zum Teil heuchlerische Debatte dieses Urteil
damals ausgelöst hat. Inhaltlich steht Aygül Özkan mit ihrer Position
jedenfalls ziemlich fest auf dem Boden des Grundgesetzes. Aber das
reicht ja leider nicht immer in der Politik, wo es auch darauf
ankommt, zu welchem Zeitpunkt eine solche Äußerung fällt und von wem
sie kommt und was die Medien daraus machen können, wenn sie einfach
nur ihrem Handwerk nachgehen und wichtige, ungewöhnliche Sätze etwas
größer schreiben. Wenn also ausgerechnet die erste muslimische
Ministerin der Christlich-Demokratischen Union, noch nicht ganz im
Amt, sich über das Kreuz hermacht, dann mutet sie einem Teil ihrer
Partei und auch einem Teil der Wählerschaft mehr zu, als die zu
verkraften in der Lage wären. Wenn das dann auch noch an einem nicht
besonders ereignisreichen Wochenende geschieht, an dem diverse Medien
diverse Schlagzeilen suchen, dann hat man den Salat. Aygül Özkan darf
man das am wenigsten vorwerfen. Sie hat eigentlich nur das getan, was
sie erst zur Senkrechtstarterin gemacht hat in der Union. Klar,
deutlich und präzise ihre Meinung formuliert, wenn sie danach gefragt
wurde. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff dagegen, sein
in der Regel recht gut organisierter Stab und auch die Berliner
Unionszentrale müssen sich heute fragen lassen, ob sie ihr kleines
Weltwunder wirklich ausreichend und klug beraten und gecoacht haben
in ihrer ersten Woche im bundesweiten Rampenlicht. Das war nicht
sonderlich professionell. Umso wichtiger ist es, dass sich zumindest
die CDU in den kommenden Tagen und Wochen geschlossen hinter Özkan
stellt, ihr den Rücken stärkt und all denjenigen eine glasklare
Absage erteilt, die hoffen, dass man die Zeit notfalls mit Gewalt
oder Morddrohungen zurückdrehen könnte. Alles andere wäre
unerträglich.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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