(Registrieren)

Berliner Morgenpost: Die Bundeswehr hat alarmierende Defizite

Geschrieben am 16-03-2010

Berlin (ots) - Zum Abschied hat der Wehrbeauftragte kräftig
hingelangt. Weil seine Berichte in den vergangenen fünf Jahren
weitgehend auf taube Ohren gestoßen sind, hat Reinhold Robbe nun eine
schonungslose Analyse mit markigen Formulierungen bis hin zur
Rücktrittsforderung gegenüber dem Inspekteur des Sanitätswesens
vorgelegt. Als Anwalt der Soldaten kann und darf er sich das
Desinteresse nicht bieten lassen.
Auch die letzte Zustandsbeschreibung des SPD-Politikers, der sein Amt
bis zuletzt klug und souverän von seiner parteipolitischen Präferenz
zu trennen wusste, ist auftragsgemäß ein Mängelbericht. Gerichtet an
zwei Adressaten: den Bundestag, der über die Finanzen der Bundeswehr
und politisch über deren Einsätze entscheidet, und das
Verteidigungsministerium, das für die Einsatzbereitschaft der
Streitkräfte zu sorgen hat.
Das Parlament, dessen Armee die Bundeswehr ist, muss sich von ihrem
Beauftragten einmal mehr vorhalten lassen, den Soldaten nicht das
notwendige Geld zur Erfüllung des von den Abgeordneten selbst
erteilten Auftrags zu bewilligen. Ein Kardinalproblem - seit Jahren
auch von diesem Wehrbeauftragten als "Unterfinanzierung der
Bundeswehr" kritisiert.
Dahinter kann sich das Verteidigungsministerium natürlich nicht
verstecken. Robbe listet aus seinen persönlichen Erfahrungen bei
Truppenbesuchen und den Beschwerdebriefen von Soldaten
Strukturprobleme innerhalb der Bundeswehr auf, die ebenfalls seit
Jahren weitgehend bekannt, aber durchweg in der Ablage gelandet sind.
Wenn er der Ministeriumsspitze vorhält, die Realität in den
Streitkräften sei gekennzeichnet durch unklare Führungsstrukturen,
Reibungsverluste, veraltete Materialplanung und eine
überdimensionierte Bürokratie der Verantwortungslosigkeit, der
Paragrafen offenbar wichtiger sind als die Fürsorgepflicht gegenüber
den Soldaten, ist auch das nicht neu, wirkt sich aber zunehmend
dramatisch aus. Denn eine solche Streitmacht ist weder besonders
gerüstet noch motiviert, lebensgefährliche Einsätze wie in
Afghanistan zu bestehen.
Es ist überfällig, Realitäten und damit unbequeme Wahrheiten nicht
länger - wie unter Minister Guttenbergs Vorgänger Jung - zu
ignorieren, um eine dominant pazifistische heimische Öffentlichkeit
ruhigzustellen. Schon 2007 hatte eine Gruppe von Generalen im
Ministerium eine Bilanz der Auslandseinsätze vorgelegt. Ihr Fazit
glich dem des Wehrbeauftragten: Mangel an kohärenter Führung,
fehlende strategische Planung, bizarre Bürokratie, politisch
motivierte Kontrollwut.
Morgen blickt wieder alles auf den Kundus-Untersuchungsausschuss.
Wenn sich Parlament und Ministerium nur halb so intensiv um die
Defizite der deutschen Streitkräfte kümmern würden wie um die
Bombardierung der von Taliban entführten Tanklaster, wäre das
zumindest der Entschärfung der internen Bundeswehrprobleme dienlich.
Die Soldaten warten darauf. Zu recht. Sie haben es verdient, weil sie
ihren Kopf hinhalten.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

257457

weitere Artikel:
  • Westfalenpost: Der Truppe wirklich nah Hagen (ots) - Reinhold Robbe war ein guter Wehrbeauftragter Von Jörg Fleischer Auf Reinhold Robbe konnten sich die Soldaten verlassen. Er hatte die Funktion des Wehrbeauftragten nicht nur auf dem Papier inne - Robbe war der Truppe wirklich nah. Ein kritischer Geist am richtigen Platz, ein Korrektiv für Fehlentwicklungen in der Bundeswehr. Einer, der für die Sorgen und Nöte der Soldaten stets ein offenes Ohr hatte. Respekt wird dem Sozialdemokraten sogar aus den Reihen seiner politischen Gegner entgegen gebracht. Dennoch, er muss sein Amt mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Nachhilfe Bielefeld (ots) - Wenn Abiturienten kurz vor dem Abitur Nachhilfe in Mathe nehmen, um ihr Wissen aufzufrischen oder eine Note zu verbessern, ist daran nicht auszusetzen. Wenn aber immer mehr Grundschüler Nachhilfeunterricht nehmen, kann in den Schulen etwas nicht stimmen. Und es ist mal wieder ganz offensichtlich, dass es vor allem um mehr Personal und kleinere Klassen geht. Am Ende geht es also um mehr Lehrer, die mehr Zeit für ihre Schüler haben. Wie aber sollen Grundschüler, die nachmittags in einem Nachhilfeinstitut schon Deutsch und mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Nullrunde für Rentner Bielefeld (ots) - Was vor zwei Monaten von der Rentenkasse noch als »reine Spekulation« abgetan wurde, ist jetzt Gewissheit: Für Rentner fällt in diesem Jahr eine Erhöhung ihrer Bezüge aus. Die Betroffenen verweisen auf höhere Belastungen durch Kranken- und Pflegeversicherung, und auch die Inflation knabbert an der Kaufkraft der Ruheständler. Andererseits: Ohne die von der Großen Koalition beschlossene Schutzklausel hätten die Renten sogar gesenkt werden müssen. Der Politiker, der den Mut hat, das den 20 Millionen Pensionären offen zu mehr...

  • RNZ: Starke Truppe? - Kommentar zum Bericht des Wehrbeauftragten Heidelberg (ots) - Von Christian Altmeier Reinhold Robbe weiß, wo die Soldaten der Stiefel drückt - und vor allem, wie sehr. Die Bundesregierung sollte seinen ungewöhnlich kritischen Abschiedsbericht daher äußerst genau lesen. Denn der Wehrbeauftragte konzentriert sich darin besonders auf die Missstände, die Leib und Leben der Soldaten ernsthaft beeinträchtigen können. Anspruch und Wirklichkeit klaffen bei der Bundeswehr noch immer weit auseinander. Aus der großen, stehenden Verteidigungsarmee von einst ist noch längst keine flexible mehr...

  • WAZ: Kritiker fordern Papst-Worte - Ruf nach Hierarchie. Kommentar von Angelika Wölk Essen (ots) - Geht dieser Papst womöglich als der Papst des Schweigens in die Geschichte ein? Wer die jüngsten Nachrichten verfolgt, könnte leicht diesen Eindruck gewinnen. Der Papst äußere sich nicht, wird allerorten kritisiert. Aber trifft das den Kern, schweigt Benedikt zum Missbrauch in der Kirche? Nein. Er hat sich in den vergangenen Wochen und Monaten häufig geäußert. Er hat seine Abscheu über diese grauenhaften Verbrechen, begangen an kleinen, zerbrechlichen Kinderseelen, öffentlich gemacht, hat sich wiederholt entschuldigt mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht