(Registrieren)

Berliner Morgenpost: Gipfel ohne Weitblick, G8 ohne Zukunft - Kommentar

Geschrieben am 08-07-2009

Berlin (ots) - Jetzt sitzen sie in den Ruinen von L'Aquila und
ahnen, dass es auch um sie geschehen ist. Ein Weltwirtschaftsgipfel,
der ohne China und Indien und noch ein paar andere als
gleichberechtigte Partner auszukommen glaubt, hat diesen Titel nicht
verdient, ist bloße Reminiszenz, Erinnerung an alte Zeiten. G8, das
von Helmut Schmidt und Valéry Giscard d'Estaing Mitte der 70er-Jahre
ins Leben gerufene Elitetreffen der Nordhalbkugel, hat seine Zukunft
hinter sich. Und das - darf man, die Weltwirtschaftskrise vor Augen,
hinzufügen - ist gut so.
G8 hat versagt. Wo, wenn nicht hier, hätten, vielleicht sogar
frühzeitig, Regeln, Leitplanken für den schließlich außer Rand und
Band geratenen Finanzmarkt zumindest beraten werden können. Wo, wenn
nicht hier, hätten mahnende Worte, die es ja gab, auch vor dem
Zusammenbruch der Lehman-Bank, Aufmerksamkeit bekommen müssen. Wo,
wenn nicht hier, hätte man wenigstens mal nachdenken können über jene
Entwicklungen, die uns vor bald einem Jahr so heftig auf die Füße
gefallen sind. Hier, bei der Gruppe der sieben bis acht
Wirtschaftskraftprotze, hätte man ja doch eine gewisse Expertise
vermuten können. Stattdessen saß man noch vor zwei Jahren recht
bequem im Strandkorb von Heiligendamm und ließ es sich ziemlich gut
gehen. Man trank ja offenbar auch so einiges. Und selbst im
vergangenen Jahr, beim Gipfel im japanischen Toyako, findet sich
unter dem Tagesordnungspunkt Wirtschaftspolitik das blanke Nichts.
Weltwirtschaftstal.
Na, ja. Wir Beobachter waren ja auch nicht schlauer damals. Wir
hatten ja auch Ohren und Augen und haben trotzdem nicht allzu lange
gefragt nach diesen merkwürdigen Finanzschneebällen, die da über die
Erde gerollt wurden. Soll man da dem frisch gewählten Herrn Sarkozy
Vorwürfe machen, der in Heiligendamm ganz nebenbei auch noch eine
Ehekrise im Endstadium aufzulösen hatte. Also: Vorhang.
Wir schauen nach vorn, überrascht, und sehen ausgerechnet eine in
weiter Vergangenheit wurzelnde Instanz, die plötzlich antreibt und
fordert. Der Papst fordert von der Politik, von der Weltpolitik, eine
Art Weltregierung aufzubauen, mit weitaus mehr Befugnissen als zum
Beispiel die UN sie haben. Eine Weltregierung, legitimiert durch ein
Weltparlament, das wiederum aus freien und weltweiten Wahlen
hervorgegangen ist. Möglich, ja, möglich wäre das mit Fantasie und
Willen, denkbar, wünschbar, vielleicht auch machbar in Zeiten, in
denen wir so sehr voneinander abhängen wie nie zuvor und auch so frei
miteinander kommunizieren können wie nie zuvor, jedenfalls wenn man
uns lässt. Eine Utopie, klar, aber irgendwann muss man anfangen.
L'Aquila, Ruinenstadt, Symbolstadt für einen Neubeginn. Man mag das
dann G 20 nennen oder W 80, einerlei. Wichtig ist, dass sich
Menschen, dass sich Nationen künftig auf Augenhöhe begegnen,
friedlich, ein bisschen vorausschauender, sich ihrer gegenseitigen
Abhängigkeit und ihrer Verantwortung für den ganzen Erdball bewusst.
Dann wäre schon eine Menge gewonnen.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

213305

weitere Artikel:
  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Wahlkampf im Internet Bielefeld (ots) - Wahlkampf im Internet - spätestens seit Barack Obama ist auch in Deutschland angekommen, dass man in Internetportalen wie Twitter, Studi-VZ und Facebook auf Stimmenfang gehen kann. Mittlerweile tummeln sich fast alle Politiker aus Deutschland in den Netzwerken. Das ist gut, aber verbesserungsfähig. Laut einer Studie von Google Deutschland informiert sich etwa jeder Dritte der unter 30-Jährigen »häufig« oder »sehr häufig« im Internet über Politik. Das birgt ein ungeheures Potential. Die Auftritte der Politiker in den mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Unfallstatistik Bielefeld (ots) - Seit 1950 gab es noch nie so wenige Verkehrstote. Das ist selbstverständlich eine gute Nachricht. Gleichwohl stirbt auf deutschen Straßen noch immer alle zwei Stunden ein Mensch - trotz Gurtpflicht, Airbags, herabgesetzter Promillegrenze und Aufklärungskampagnen wie »Runter vom Gas«. Also muss für die Verkehrssicherheit noch mehr getan werden. So hat das Nachbarland Frankreich längst Rüttelstreifen auf den Straßen angebracht. Das Vibrieren reißt Auto- und Lastwagenfahrer aus dem verhängnisvollen Sekundenschlaf. Obwohl mehr...

  • Westfalenpost: Außer Kontrolle Hagen (ots) - Unruhen in China - der soziale Kitt bröckelt Von Jörg Fleischer Mit roher Gewalt, Unterdrückung und Zensur hat Chinas Führung schon oft versucht, Unruhen in den Griff zu bekommen. Dabei musste um jeden Preis der Eindruck aufrecht erhalten werden, die Staatsspitze habe die Lage im Griff. Vor diesem Hintergrund muss die überraschende Absage des chinesischen Präsidenten an den G8-Gipfel gesehen werden. Hu Jintao kehrte angesichts der blutigen Unruhen in der Uiguren-Region Xinjiang überstürzt nach Peking zurück. Diese Reaktion mehr...

  • Rheinische Post: Justiz-Pannen Düsseldorf (ots) - Von Detlev Hüwel Im Fall des Viersener U-Häftlings, der sich an Mädchen vergangen haben soll, aber aus formalen Gründen auf freien Fuß gesetzt werden musste, hat Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) richtig gehandelt und sofort eine Untersuchung veranlasst. Heute soll der Zwischenbericht vorliegen. Er dürfte wenig Schmeichelhaftes über die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach enthalten, die nicht zügig genug ermittelt haben soll. Leider ist die Freilassung des mutmaßlichen Kinderschänders kein Einzelfall mehr...

  • Rheinische Post: Klima-Hoffnung auf G-8-Gipfel Düsseldorf (ots) - Von Godehard Uhlemann Das symbolträchtige G-8-Treffen im Erdbebengebiet um das italienische L'Aquila ist ein Durchgangsgipfel auf dem Weg zur G-20-Konferenz im September in Pittsburgh. Die Finanz- und Wirtschaftskrise mir ihren weltweiten Auswirkungen sowie die uns immer näherrückende Klimakatastrophe machen klar, dass solche globalen Herausforderungen nur noch in größerem politischen Rahmen zu bewältigen sind: Die Gruppe der sieben wichtigsten Industrienationen und Russlands verliert an Einfluss, weil wirtschaftlich mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht