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LVZ: Die Leipziger Volkszeitung zu Lea-Sophie/Prozessbeginn.

Geschrieben am 15-04-2008

Leipzig (ots) - Von Kay Stolle. Ignoranz - Wieder einmal beginnt
ein Prozess gegen Eltern, die ihr Kind vernachlässigt, misshandelt,
getötet haben. Wieder einmal lesen die Menschen angewidert die
abscheulichen Einzelheiten über die Qualen des Kindes. Wieder einmal
fragen die Medien, wie dies passieren konnte. Wieder einmal ist von
einer Mitschuld der Behörden die Rede.
Heute heißt das Kind Lea-Sophie. Gestern hieß es Jessica oder Kevin.
Morgen wird es vielleicht Josephine oder Hendrik heißen. Das Grauen
eines neuen Falles ersetzt die Betroffenheit über den vergangenen.
Und wenn die Kommentatoren in den Medien wieder das Versagen der
Ämter anprangern, dann haben die Menschen längst vergessen, dass
Staat, Länder und Kommunen schon nach dem vorangegangenen Fall
bessere Kontrollen und neue Initiativen versprochen hatten. Wer
erinnert sich schon noch daran, dass der kleine Kevin aus Bremen im
Jahr 2006 an grausamen Misshandlungen starb, obwohl das Jugendamt per
Gerichtsbeschluss die Vormundschaft für das zweijährige Kind
übernommen hatte. Die Beamten hatten Kevin seinem drogensüchtigen
Ziehvater überlassen. Oder wer erinnert sich an die siebenjährige
Jessica, die 2006 in Hamburg verhungerte. Die Schulbehörde nahm es
einfach hin, dass sie nicht eingeschult wurde, statt es dem Jugendamt
zu melden.
Und doch: Vielleicht wird es diesmal anders sein, vielleicht werden
sich vor allem Politiker noch lange an Lea-Sophie erinnern. Nicht
nur, weil die große Koalition nach ihrem Tod endlich verbindliche
Vorsorgeuntersuchungen für Kinder beschlossen hat. Sondern auch, weil
der Fall - möglicherweise - dem Oberhaupt einer Landeshauptstadt das
Amt kostet: In knapp zwei Wochen entscheiden die Bürger Schwerins, ob
Norbert Claussen Oberbürgermeister bleibt. Natürlich trägt er keine
persönliche Verantwortung am Tod des Mädchens, auch die Schlamperei
in der Behörde hätte er wohl politisch überlebt. Doch schon kurz nach
Bekanntwerden des Falles zu verkünden, das Jugendamt habe
vorschriftsmäßig, ordnungsgemäß und sachgerecht gehandelt und
Schwerin einfach nur Pech gehabt - dies zeugt von Ignoranz und
bürokratischer Mitleidlosigkeit.
Denn die Behörden haben im Fall Lea-Sophie versagt. Vier Mal - das
erste Mal schon ein Jahr vor dem Tod des Kindes - hatte
beispielsweise Lea-Sophies Großvater das Jugendamt aufgefordert, sich
um seine Enkelin zu kümmern. Die Beamten schickten danach an die
Familie Einladungen zum Gespräch, störten sich aber nicht daran, dass
die Schreiben unbeantwortet blieben. Eine solche Schlamperei lässt
sich nicht nur mit Stellenkürzungen oder Überforderung angesichts
zunehmender sozialer Problemfälle begründen.
Der gestern begonnene Prozess und der Bürgerentscheid werden nun in
den kommenden Wochen zeigen: Ein Mord an einem Kind muss eine strenge
Strafe nach sich ziehen, aber auch Ignoranz und Inkompetenz in
Politik, Behörden und Gesellschaft dürfen nicht einfach hingenommen
werden.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/6351
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_6351.rss2

Pressekontakt:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


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