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Keine weitsichtige Politik / Leitartikel von Miquel Sanches zu Nord Stream 2

Geschrieben am 22-12-2019

Berlin (ots) - Kurzform: Im neuen Jahr steht die größte Nato-Übung seit 25
Jahren zur Verteidigung Europas an. Die Hauptlast tragen wie immer die
Amerikaner. Es ist verständlich, dass sie Fragen stellen, wenn sich der größte
Verbündete vom potenziellen Gegner abhängig macht. Das westliche Bündnis sollte
eine politische Wertegemeinschaft sein, in der man strategische Dilemmata
gemeinsam angeht, um größeren Konflikten vorzubeugen. Das ist bei der
Energiefrage gescheitert. Kein Einzelfall. Der Streit über Nord Stream 2 wirft
kein gutes Licht auf das westliche Bündnis.

Der vollständige Leitartikel: Ihre Sanktionen kommen zu spät. Die Amerikaner
werden die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 zwar verzögern und verteuern, aber
ihren Betrieb nicht verhindern können. Der Bau ist zu weit fortgeschritten. Die
letzten paar Hundert Kilometer kriegen die Russen noch hin. Die Strafmaßnahmen
sind keine Willkür. Die USA sind nicht die einzigen Kritiker. Halb Europa hat
ein Problem mit der Pipeline. Daran ändert auch nichts, dass die Russen sich mit
der Ukraine verständigt haben, sodass die sich weniger um ihre Pfründe als
wichtigstes Transitland für russisches Gas sorgen muss. Die Strafmaßnahmen sind
auch keine Laune von US-Präsident Donald Trump. Dahinter steht der Kongress,
Republikaner und Demokraten in seltener Einigkeit. Und Fakt ist auch die
energiepolitische Abhängigkeit von Russland. Sie wird politisch zu wenig und zu
unkritisch diskutiert, weil die Pipeline vom früheren SPD-Kanzler Gerhard
Schröder forciert und von seiner CDU-Nachfolgerin Angela Merkel übernommen
wurde. Die beiden Parteien wirken wie ein Schalldämpfer. Stellen wir uns mal
vor, Schröder wäre noch Kanzler, Merkel Oppositionsführerin - die Union würde
auf die Barrikaden gehen. Weil Nord Stream 2 ein gemeinsames Erbe ist, wurden am
Wochenende im Regierungslager jede Menge Nebelkerzen gezündet. Der
Transatlantik-Beauftragte - CDU - redete sich heraus: Die Sanktionen gingen
nicht gegen Deutschland, sondern gegen privatwirtschaftliche Unternehmen. Das
ist formal richtig, aber politisch eine Augenwischerei. Die Unternehmen mögen
die Nachteile haben. Aber das Problem kann nur politisch gelöst werden.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sagte, die EU und Deutschland seien für Trump
offenbar keine verbündeten Partner, sondern tributpflichtige Vasallen. Das ist
Polemik. Nord Stream 2 ist ein politisches Abenteuer geworden. Es fühlte sich
anfangs nicht so an, weil sich Russland und die EU annäherten. Nun wird es unter
komplett veränderten Vorzeichen vollendet, nämlich nach der Annexion der Krim
durch Russland. Dass die Amerikaner ihr eigenes Gas besser vermarkten möchten,
ist nur eine Spekulation, aber nicht unlogisch. Es müsste erst aufwendig gekühlt
und per Schiff transportiert werden, ist also nicht konkurrenzfähig. Aber wenn
sich russisches Gas nicht aus ökonomischen, sondern aus politischen Gründen
verbietet, wären die Amerikaner im Geschäft. Ein Schelm, wer sich Böses dabei
denkt. Bei Handelsstreitigkeiten sind Sanktionen meist ein Irrweg. Wenn sie
Schule machen, kommen wir aus einem Wirtschaftskrieg nicht heraus. Leider ist
Trump ein Präsident im Angriffsmodus. Aus Gründen der Selbstachtung muss sich
die Bundesregierung die Einmischung in innere Angelegenheiten verbitten. So
weit, so klar, so verständlich. Trotzdem muss man sich fragen, wie es so weit
kommen konnte. Zur Wahrheit gehört, dass in der Amtszeit Merkels die
Abhängigkeiten gestiegen sind: in der Flüchtlingsfrage von der Türkei, in der
Energiepolitik von Russland und, wie die Diskussion über Huawei zeigt, bei der
digitalen Infrastruktur von China. Im neuen Jahr steht die größte Nato-Übung
seit 25 Jahren zur Verteidigung Europas an. Die Hauptlast tragen wie immer die
Amerikaner. Es ist verständlich, dass sie Fragen stellen, wenn sich der größte
Verbündete vom potenziellen Gegner abhängig macht. Das westliche Bündnis sollte
eine politische Wertegemeinschaft sein, in der man strategische Dilemmata
gemeinsam angeht, um größeren Konflikten vorzubeugen. Das ist bei der
Energiefrage gescheitert. Kein Einzelfall. Der Streit über Nord Stream 2 wirft
kein gutes Licht auf das westliche Bündnis.

Pressekontakt:

BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de

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OTS: BERLINER MORGENPOST

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