(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Auch die Widersprüche aushalten/Vor 30 Jahren fiel der Eiserne Vorhang. Die Oberpfalz und Pilsen feiern die Partnerschaft, die sich entwickelt hat. Andernorts wird gehadert.

Geschrieben am 12-09-2019

Regensburg (ots) - Böhmische Knödel und Oberpfälzer Bier - nicht
nur die Liebe, sondern offenbar auch die Völkerverständigung geht
durch den Magen. Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs sitzen die
Vertreter der Partnerregionen Oberpfalz und Pilsen häufig zusammen am
Tisch. Da geht es freilich nicht ums Essen, jedenfalls nicht in
erster Linie, sondern vor allem um die Zusammenarbeit. Die gelang in
den vergangenen drei Jahrzehnten immer besser. Sogar einen
grenzüberschreitenden Rettungsdienst gibt es. Die einstigen
Randgebiete verbindet heute eine starke Bande. Das ist ein Grund zum
Feiern. In der bayerischen Vertretung in Brüssel haben die
europäischen Vorzeigeregionen genau das gerade getan und dabei ihre
Erfolgsprojekte vorgestellt. Und wenn kulinarische Spezialitäten
aufgefahren werden, sitzt es sich gleich viel gemütlicher beisammen.
Die Geschichte der Regionalkooperation zwischen Pilsen und der
Oberpfalz ist eine, die Mut macht. Aber das gilt nicht für alle
Geschichten, die sich 30 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs
erzählen lassen. Der Blick auf die innerdeutsche Entwicklung stimmt
deutlich nachdenklicher. Es ist jetzt nämlich auch 30 Jahre her, dass
die ungarische Regierung alle DDR-Bürger nach Österreich ausreisen
ließen. Rund zwei Wochen später trat dann der damalige Außenminister
Hans Dietrich Genscher auf den Balkon der deutschen Botschaft in
Prag, um den DDR-Flüchtlingen mitzuteilen, dass ihre Ausreise möglich
ist. Der Jubel war riesig. Die Euphorie von damals ist jedoch teils
verbitterter Ernüchterung gewichen. Zumindest beschlich einen dieser
Eindruck in den vergangenen Wochen. Die Unterschiede zwischen Ost-
und Westdeutschland wurden vor dem Hintergrund der Landtagswahlen in
Brandenburg, Sachsen und Ende des Monats in Thüringen immer wieder
thematisiert, ja betont. Zieht man die Statistiken heran, ergibt sich
aber ein viel diverseres Bild. Auf ostdeutscher Seite gibt es gute
Gründe, Fehlentwicklungen zu kritisieren. Eine Erkenntnis sticht
dabei hervor, weil sie so besonders bitter ist: In den Kreisen von
Entscheidern sind Ostdeutsche noch immer eklatant unterrepräsentiert.
Dabei schneiden vor allem Thüringen und Sachsen in Bildungsstudien
regelmäßig mit Spitzenpositionen ab. Auch eine Wohlstandslücke
zwischen Ost und West tut sich auf. 60 der einkommensschwächsten
Landkreise und Städte der Republik sind im Osten, sagen Daten der
Agentur für Arbeit aus dem Sommer 2019. Es gibt tatsächlich eine
Schieflage. Wahr ist andererseits auch, dass sich mittels Daten eine
ähnliche Kluft zwischen Nord- und Süddeutschland darstellen lässt.
Auch im Westen haben ganze Regionen wirtschaftlichen Niedergang
erlebt. Das zeigt, dass es nicht darum gehen kann, Regionen und die
Menschen, die sie bewohnen, gegeneinander auszuspielen. Denn so
einfach lassen sich Entwicklungen eben nicht mit einem
Schwarz-weiß-System beziehungsweise einem Gut-Schlecht-Schema
erklären. Das Leben und wie es die Menschen in den vergangenen Jahren
erlebt haben, ist voller Widersprüche. In Wahrheit zeigen doch
sämtliche Phänomene des politischen, gesellschaftlichen und privaten
Lebens, je näher sie betrachtet werden, umso größere Unterschiede. Es
gibt Momente, um zu feiern, und es gibt Momente, um unzufrieden zu
sein. Widersprüche muss man eben auch einfach einmal aushalten - und
nicht ausblenden. Die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands ist
ein Grund zum Feiern. Bald steht der 3. Oktober an, um das zu tun.
Aber auch beim Feiern geht es ja nicht um unkritischen Jubel.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

701717

weitere Artikel:
  • Mitteldeutsche Zeitung: zum Ballon-Verbot Halle (ots) - Die Grünen-Landesvorsitzende von Niedersachsen hatte nur den Beschluss der westfälischen Stadt Gütersloh gelobt, bei städtischen Veranstaltungen auf das Steigenlassen von gasgefüllten Ballonen zu verzichten. Der Antrag kam noch nicht einmal von den Grünen, er wurde im Stadtrat einstimmig angenommen. Die Grünen sehen Gütersloh als Vorbild, weil die Ballonreste meist in der Natur landen und für Vögel lebensbedrohlich sein könnten. Die Vögel verwechseln das Plastik mit Futter und verhungern mit vollem Magen. Umweltverbände mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Krankenhausplanung in NRW Der Minister braucht Mut Lothar Schmalen, Düsseldorf Bielefeld (ots) - Auch wenn noch nicht klar ist, welche Krankenhäuser in den nächsten Jahren geschlossen werden müssen - das Gutachten, das NRW-Gesundheitsminister Laumann im Landtag präsentierte, ist erst einmal eine gute Nachricht für stark ländlich geprägte Regionen wie OWL. Der Minister und seine Gutachter sehen den Handlungsbedarf vordringlich in den Ballungsräumen an Rhein und Ruhr, wo eine Klinik neben der anderen steht. Bei der Umsetzung der Reform wird das Heulen und Zähneknirschen also vor allem dort stattfinden. Damit bleibt mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Altersarmut Bielefeld (ots) - Mehr als jeder fünfte Rentner könnte künftig ins Armutsrisiko rutschen: Das klingt dramatisch. Wenn eine solche Botschaft auch noch mit dem Siegel der doch so seriösen Bertelsmann-Stiftung verbreitet wird, erhält sie zusätzliches Gewicht. Werden wir also alle im Alter am Hungertuch nagen? Nun mal langsam. Gerade einmal jeder 33. Rentner bezieht nach Zahlen des Arbeitgeberverbands tatsächlich Leistungen aus der Grundsicherung. Selbst bei einem Anstieg dieser Quote und wären die allermeisten Rentner auch mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Missbrauchsprozess gegen einen Physiotherapeuten in Bielefeld Bielefeld (ots) - Gerade ist die juristische Aufarbeitung des Missbrauchsfalls Lügde zu Ende, da beginnt in Bielefeld ein weiterer Strafprozess. Ein Physiotherapeut soll das Vertrauen von Eltern und kleinen Patientinnen ausgenutzt haben. Von jahrelangem schweren Missbrauch junger Mädchen ist in der Anklage die Rede. Es spricht viel dafür, dass die Taten so geschehen sind, wie die Kinder sie bei der Kripo geschildert haben. Gestützt wird diese Annahme von tausenden sogenannter Kinderpornofotos, die bei dem Mann gefunden mehr...

  • Press Freedom Awards gehen an Gewinnerinnen aus Saudi-Arabien, Malta und Vietnam Berlin (ots) - In Berlin sind am Abend die 27. internationalen Press Freedom Awards von Reporter ohne Grenzen verliehen worden. Für ihren Mut wurde die saudi-arabische Bloggerin und Journalistin Eman al-Nafjan geehrt. Den Preis für unabhängigen Journalismus erhielt die Malteserin Caroline Muscat. Die Vietnamesin Pham Doan Trang wurde mit dem Press Freedom Award für besonders wirkungsvollen Journalismus ausgezeichnet. "Jedes Jahr gibt es Preisträgerinnen und Preisträger, die nicht kommen können, weil sie von der politischen Führung mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht