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Freie Ärzteschaft: Sicherheitsprobleme erfordern Kurswechsel für die Digitalpolitik im Gesundheitswesen (FOTO)

Geschrieben am 28-06-2019

Hamburg (ots) -

Die Freie Ärzteschaft (FÄ) fühlt sich nach der gemeinsamen
Pressekonferenz mit Medi Geno Deutschland und dem Freien Verband
Deutscher Zahnärzte, die am Donnerstag in Berlin stattgefunden hat,
in ihren Befürchtungen rund um den Anschluss der Praxen an die
Telematik-Infrastuktur (TI) bestätigt. "Das, was wir gestern von
IT-Fachleuten und Juristen, aber auch aus der ärztlichen Praxis
gehört haben, sollte alle politisch Verantwortlichen aufrütteln",
sagte Dr. Silke Lüder am Freitag in Hamburg. Die stellvertretende
FÄ-Bundesvorsitzende und Hamburger Allgemeinmedizinerin fordert vor
allem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf, hier die
Reißleine zu ziehen.

"Die Ärzteschaft unterstützt sowohl die Digitalisierung als auch
die moderne Kommunikation", sagt Lüder, "aber eben nur, wenn die
Kommunikation der Gesundheitsdaten dezentral erfolgt und sicher ist."
Es sei an der Zeit, Konsequenzen aus den bisherigen Pannen bei der
Telematik-Infrastruktur zu ziehen. "Alles andere wollen und werden
wir Ärzte nicht verantworten." Obwohl zahlreiche Experten seit
Monaten vor den Gefahren durch grobe Sicherheitsmängel bei der TI und
sinkende Sicherheitsstandards warnen, setzt der Gesetzgeber seinen
Kurs fort und investiert weitere Milliarden Euro in veraltete und
unsichere Technik. "Damit muss endlich Schluss sein." Lüder
befürwortet ein Moratorium für die gesamte Planung der Telematik im
Gesundheitswesen, um die Weichen neu zu stellen. Jens Spahn fordert
die FÄ-Vize auf, sein aktuelles Gesetzesvorhaben, das Digitale
Versorgung Gesetz (DVG), zu stoppen.

"Die Schilderungen der Fachleute und die Diskussion bei der
Pressekonferenz haben uns einmal mehr vor Augen geführt, dass unsere
seit Langem geäußerten Befürchtungen rund um den Datenschutz traurige
Realität sind", sagt Lüder. Teilweise werden augenscheinlich sogar
Mitarbeiter von Zeitarbeitsfirmen, die offenbar selbst nicht
verstehen, wie die Systeme funktionieren, mit dem Anschluss der
Arztpraxen an die TI beauftragt. Ärzte und Psychotherapeuten, die auf
deren Arbeit vertrauen, "weil wir ja selbst nun mal keine
Informatiker sind", erleben hundertfache Systemabstürze. Und die
Kosten laufen auch für die Arztpraxen aus dem Ruder. "Ganz zu
schweigen von der juristischen Haftung, wenn etwas schiefgeht und
Patientendaten gehackt werden", so Lüder. "Dabei sind wir laut
Strafgesetzbuch dazu verpflichtet, die ärztliche Schweigepflicht
einzuhalten und aufgrund der Datenschutzgrundverordnung verpflichtet,
die Vorgaben zu erfüllen." Wie aber soll das gehen, wenn die Gematik
trotz Aufforderung des Bundesdatenschutzbeauftragten keine
Datenschutzfolgeabschätzung für die Telematik-Infrastruktur vornimmt,
die dringend geboten ist?

Lüder beklagt auch den Ton, der seitens des Gesetzgebers mit dem
DVG gegenüber den Ärzten angeschlagen wird. Den habe es in dieser
Form bisher nicht gegeben. Das Wording des geplanten Gesetzes sei
eine Missachtung der ärztlichen Freiberuflichkeit. "An vielen Stellen
ist allein von Zwang und Sanktionen die Rede, der Druck auf die
Ärzteschaft wird noch einmal erhöht", beklagt Lüder. Es gebe kaum
noch Freiwilligkeit für die Praxen und damit "auch kein Recht, über
eigene Arbeitsergebnisse wie die gesamte ärztliche Dokumentation zu
verfügen. Stattdessen sollen wir gezwungen werden, alles in einer
zentralen und nicht kontrollierten e-Akte zur Verfügung zu stellen."

Und: "Nur weil die Ärzte sich bisher nicht zu großen Protesten auf
der Straße einfinden, heißt das nicht, dass sie ihren Unmut ob der
politischen Drangsalierung nicht zum Ausdruck bringen", argumentiert
Lüder. Im Gegenteil: Nach wie vor ist der Prozentsatz jener Ärzte
hoch, die sich dem zwanghaften Anschluss ihrer Praxen an die TI
verweigern - "und zwar ganz egal, welche Honorarabzüge Herr Spahn
androht." Solange die Daten nicht überprüfbar sicher und Ärzte wie
Psychotherapeuten in der Haftung sind, "sollten wir eher den Rat der
IT-Experten befolgen, die uns auch heute empfohlen haben, den Stecker
zu ziehen." Lüder warnt den Gesetzgeber davor, durch immer schärfere
Sanktionen Ärzte in die innere Emigration zu treiben. "Wenn das so
weiter geht, erwägen ältere Kollegen ein vorzeitiges Aufgeben ihrer
Praxistätigkeit. Und junge Kollegen sind von der eigenen
Niederlassung desillusioniert. Weder das eine noch das andere kann
man wollen, denn beides würde den Ärztemangel weiter verschärfen."

Über die Freie Ärzteschaft e.V.

Die Freie Ärzteschaft e. V. (FÄ) ist ein Verband, der den
Arztberuf als freien Beruf vertritt. Er wurde 2004 gegründet und
zählt heute mehr als 2.000 Mitglieder: vorwiegend niedergelassene
Haus- und Fachärzte sowie verschiedene Ärztenetze. Vorsitzender des
Bundesverbandes ist Wieland Dietrich, Dermatologe in Essen. Ziel der
FÄ ist eine unabhängige Medizin, bei der Patient und Arzt im
Mittelpunkt stehen und die ärztliche Schweigepflicht gewahrt bleibt.



Pressekontakt:
presse@freie-aerzteschaft.de

V .i. S. d. P.: Wieland Dietrich, Freie Ärzteschaft e.V.,
Vorsitzender, Gervinusstraße 10, 45144 Essen, Tel.: 0201 68586090,
E-Mail: mail@freie-aerzteschaft.de, www.freie-aerzteschaft.de

Original-Content von: Freie Ärzteschaft e.V., übermittelt durch news aktuell


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