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Deutscher Ethikrat: Maßnahmenbündel zur Erhöhung der Masernimpfquote statt allgemeiner Impfpflicht

Geschrieben am 27-06-2019

Berlin (ots) - In seiner heute in Berlin veröffentlichten
Stellungnahme "Impfen als Pflicht?" begründet der Deutsche Ethikrat
eine allgemeine moralische Pflicht, sich selbst und die eigenen
Kinder gegen Masern impfen zu lassen. Die Einführung einer
gesetzlichen Masernimpfpflicht empfiehlt er nur für Berufsgruppen in
besonderer Verantwortung, nicht hingegen für alle Erwachsenen oder
Kinder.

Der Deutsche Ethikrat stellt fest, dass es keine reine
Privatangelegenheit ist, ob man sich gegen eine hochansteckende
Infektionskrankheit wie die Masern impfen lässt. In jeder
Gesellschaft gibt es besonders schutzbedürftige Menschen, die etwa
aus medizinischen Gründen selbst nicht gegen Masern geimpft werden
können, bei denen die Erkrankung jedoch einen besonders schweren
Verlauf nehmen kann. Diese Menschen können nur dadurch vor Ansteckung
geschützt werden, dass ein hinreichend hoher Anteil der Bevölkerung
gegen Masern geimpft ist. Hinzu kommt der Aspekt
generationenübergreifender Verantwortung, da die Masern zu den
Krankheiten zählen, die sich durch weltweit koordinierte
Anstrengungen gänzlich ausrotten lassen. Da die Masernimpfung
hochwirksam und sehr gut verträglich ist, ist nach Ansicht des
Deutschen Ethikrates jede Person moralisch verpflichtet, sich selbst
gegen Masern impfen zu lassen und gegebenenfalls auch für einen
entsprechenden Impfschutz der eigenen Kinder zu sorgen.

Aus dem Bestehen dieser moralischen Pflicht zur Masernimpfung
folgt allerdings nicht unmittelbar, dass sich auch die Einführung
einer gesetzlichen, letztlich mit staatlichen Zwangsmaßnahmen
durchzusetzenden Verpflichtung rechtfertigen lässt. Vielmehr ist zu
prüfen, ob und für wen eine solche Rechtspflicht geeignet,
erforderlich und verhältnismäßig ist, um das Ziel einer Erhöhung der
Impfquote zu erreichen. Im Fall der vieldiskutierten Impfpflicht für
Kleinkinder in Tagesbetreuung und für Schulkinder führt diese Prüfung
zum Schluss, dass in Anbetracht der in diesen Altersgruppen insgesamt
hohen Impfquoten eine generelle staatliche Impfpflicht nicht
gerechtfertigt ist. Zu empfehlen ist hingegen eine Änderung des
Infektionsschutzgesetzes, die eine bessere Erfassung nicht geimpfter
Kinder, eine intensivierte Beratung der Eltern und Impfaktionen in
den Einrichtungen selbst ermöglicht. Ausschlüsse aus Bildungs- und
Erziehungseinrichtungen sollten nur in individuell begründeten
Ausnahmefällen möglich sein. Zusätzlich ist die verhältnismäßig große
Gruppe der ungeimpften Erwachsenen verstärkt in den Blick zu nehmen.
Sie sollte dringend mit speziellen Aufklärungs- und Impfkampagnen
angesprochen werden.

Mit Ausnahme eines Ratsmitglieds, das sich in einem Sondervotum
gegen jede Form einer staatlichen Impfpflicht ausspricht, hält es der
Deutsche Ethikrat im Übrigen sehr wohl für gerechtfertigt und
geboten, eine mit Tätigkeitsverboten sanktionierbare Impfpflicht für
bestimmte Berufsgruppen in besonderer Verantwortung einzuführen. Dies
betrifft in erster Linie Personal im Gesundheits-, Sozial- und
Bildungswesen, das aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit Infektionen
mit erhöhter Wahrscheinlichkeit weitergeben kann.

Flankierend empfiehlt der Deutsche Ethikrat eine Reihe weiterer
Maßnahmen zur Erleichterung des Zugangs zu Impfungen wie den Einsatz
von Impf-Erinnerungssystemen in Arztpraxen und zur Aufklärung der
Bevölkerung über die großen mit Impfungen verbundenen Chancen und
ihre geringen Risiken. Erst wenn diese Maßnahmen nicht den
gewünschten Erfolg zeigten oder sich die Gefahrenlage durch um sich
greifende Masernepidemien erheblich verändern würde, wären
verpflichtende und sanktionierende Regelungen für weitere
Bevölkerungsgruppen in Erwägung zu ziehen.

Zum Hintergrund:

Die Weltgesundheitsorganisation hat in diesem Jahr Impfskepsis zu
einer der zehn größten weltweiten Bedrohungen für die Gesundheit
erklärt. Erst im Mai hat sie zudem vor den fortdauernden
Masernausbrüchen in der europäischen Region gewarnt, wo in 14 Monaten
mehr als 100.000 Menschen erkrankten. In Deutschland ließe sich das
Ziel einer dauerhaften Elimination der Masern nur erreichen, wenn es
gelänge, die Impfquoten weiter zu steigern und insbesondere regionale
Impflücken zu schließen. Seit einigen Monaten wird daher über die
Einführung einer gesetzlichen Masernimpfpflicht diskutiert, für die
inzwischen bereits ein Referentenentwurf des Bundesministeriums für
Gesundheit vorliegt. Der Deutsche Ethikrat hat sich schon Ende April
mit einer Pressemitteilung zur laufenden Debatte geäußert und dabei
vor allem die Dominanz der Forderungen nach einer Impfpflicht für
Kinder kritisiert. In seiner heute veröffentlichten Stellungnahme
erläutert der Ethikrat nun ausführlich, welche Maßnahmen er zur
Steigerung der Impfquoten für Masern für empfehlenswert hält.

Die Stellungnahme ist abrufbar unter http://ots.de/GtXLeU.



Pressekontakt:
Ulrike Florian
Deutscher Ethikrat
Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Jägerstraße 22/23
D-10117 Berlin

Tel: +49 30 203 70-246
Fax: +49 30 203 70-252
E-Mail: florian@ethikrat.org
URL: www.ethikrat.org

Original-Content von: Deutscher Ethikrat, übermittelt durch news aktuell


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