(Registrieren)

BERLINER MORGENPOST: Vertagt, nicht gescheitert / Leitartikel von Christian Kerl zum EU-Gipfel

Geschrieben am 21-06-2019

Berlin (ots) - Kurzform: Auf den ersten Blick sieht das Ergebnis
des EU-Gipfels aus wie eine Mischung aus Unvermögen und
Arbeitsverweigerung: Die Regierungschefs haben sich weder auf ein
neues Klimaschutzziel verständigt noch ein Personalpaket für die
EU-Führungsjobs geschnürt. Ein Debakel? Nein. Kriegen die gar nichts
gebacken in Europa? Doch. Diesmal war es kein Fehler, Entscheidungen
zu vertagen. Ein Blick auf das Thema Klimaschutz genügt: Mit einem
raschen, verbindlichen Beschluss, die Wirtschaft in ganz Europa
innerhalb von 30 Jahren klimaneutral zu stellen, war in Brüssel im
Ernst überhaupt nicht zu rechnen. Es wäre ein gewaltiges Vorhaben,
den Treibhausgasausstoß in Europa bereits bis 2050 netto auf null zu
senken - also in erster Linie CO2 einzusparen.

Der vollständige Leitartikel: Auf den ersten Blick sieht das
Ergebnis des EU-Gipfels aus wie eine Mischung aus Unvermögen und
Arbeitsverweigerung: Die Regierungschefs haben sich weder auf ein
neues Klimaschutzziel verständigt noch ein Personalpaket für die
EU-Führungsjobs geschnürt. Ein Debakel? Nein. Kriegen die gar nichts
gebacken in Europa? Doch. Diesmal war es kein Fehler, Entscheidungen
zu vertagen. Ein Blick auf das Thema Klimaschutz genügt: Mit einem
raschen, verbindlichen Beschluss, die Wirtschaft in ganz Europa
innerhalb von 30 Jahren klimaneutral zu stellen, war in Brüssel im
Ernst überhaupt nicht zu rechnen. Es wäre ein gewaltiges Vorhaben,
den Treibhausgasausstoß in Europa bereits bis 2050 netto auf null zu
senken - also in erster Linie CO2 einzusparen. Schon das bisher
vereinbarte Ziel, diese Klimaneutralität in der zweiten Hälfte des
Jahrhunderts zu erreichen, ist technisch und politisch ehrgeizig.
Deutschland wird Billionen investieren müssen. Aus Umweltgründen
spricht viel dafür, das Tempo noch zu erhöhen. Aber das entscheidet
man nicht mal nebenbei, sondern gründlich vorbereitet. Solche
Ambitionen sind etwa in Frankreich, das seinen Strom zum Großteil in
Atomkraftwerken erzeugt, leichter zu verkünden als in Polen mit
seinem hohen Anteil an Kohleverstromung. Oder in Deutschland. Im
Bremserhäuschen saßen bis vor Kurzem nämlich nicht nur osteuropäische
Länder, sondern auch die Bundesregierung. Erst vor wenigen Wochen hat
Kanzlerin Merkel ihren Widerstand aufgegeben und sich ebenfalls dazu
bekannt, bis 2050 die Treibhausgase auf Netto-Null zu reduzieren.
Nur: Wie die beschleunigte CO2-Minimierung in Deutschland erreicht
werden könnte, hat Merkel völlig offengelassen. Dabei droht
Deutschland schon seine Vorgaben für 2030 zu verfehlen, wie die
EU-Kommission soeben rügte. Was aber bringen
Klimaschutzzusagen, die nur auf dem Papier stehen? Es spricht nicht
gegen die osteuropäischen Regierungschefs, dass sie solche
Versprechen ernst nehmen - und erst nachrechnen wollen, was die Pläne
in der Praxis bedeuten. Ein Drama ist das nicht, das Thema kommt
gewiss auf Wiedervorlage. Eiliger sind die Personalentscheidungen.
Aber auch hier ist in Wahrheit niemand von der Vertagung überrascht.
Zu viele Regierungschefs sind aus parteitaktischen Gründen auf die
Barrikaden geklettert, von denen sie erst noch heruntersteigen müssen
- allen voran Frankreichs Präsident Macron, der mit seinen liberalen
Truppen ein verwegenes Spiel spielt. Auch Macrons Einfluss ist es zu
verdanken, dass sich im EU-Parlament bisher keine Mehrheit für einen
der Spitzenkandidaten gefunden hat, die Kommissionspräsident werden
wollen. Noch aber laufen die Gespräche im Parlament. CSU-Vize Manfred
Weber, der zu Recht als Kandidat der stärksten Fraktion und als
versierter Europapolitiker Anspruch auf das Präsidentenamt erhebt,
hätte also noch eine Chance, "Mr. Europa" zu werden. Die Frage
ist nur, wie lange seine Partei hinter ihm steht. In Brüssel ließen
sich Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel so deuten, dass sie
bereit sein könnte, Weber jetzt fallen zu lassen. Das aber wäre
vorschnell und weder im Interesse Deutschlands noch des
EU-Parlaments. Scheitert Weber, scheitern auch die anderen
Spitzenkandidaten - die Tür wäre offen für jene Kungelei der
Regierungschefs, die mit der Europawahl beendet sein sollte. Die
Wähler dürften sich verschaukelt fühlen. So wäre das gerade erst
gestiegene Ansehen des Parlaments rasch wieder verspielt.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

691535

weitere Artikel:
  • Kölner Stadt-Anzeiger: Muss das Krankenhaus Köln-Holweide geschlossen werden? Köln (ots) - Auf dem Weg zur wirtschaftlichen Sanierung der finanziell stark in Schieflage geratenen Kliniken der Stadt Köln könnte es eine Lösung geben: Die Aufgabe des Standortes Holweide. Wie der "Kölner Stadt-Anzeiger" (Samstagausgabe) berichtet, steht im jüngsten, bislang unveröffentlichten Sanierungsgutachten, dass dem städtischen Klinikkonzern dauerhaft ein Minus von sechs Millionen Euro jährlich drohe. Das Gutachten soll in der nächsten Sitzung des Finanzausschusses des Stadtrats am kommenden Dienstag, 25. Juni, im nichtöffentlichen mehr...

  • Mittelbayerische Zeitung: So ruiniert man Wohnbau/Mit dem Preisdeckel für Mieten fährt der Berliner Senat die Chance, bezahlbaren Wohnraum zu finden, an die Wand. Von Marianne Sperb Regensburg (ots) - Rot und Grün arbeiten stetig daran, dem Bürger bezahlbares Wohnen und eine vernünftige Altersvorsorge unmöglich zu machen. Mit dem Deckel, der Mieten auf Jahre einfriert, ist der rot-rot-grüne Berliner Senat dem Ziel jetzt ein Stück näher. Das passt ins Profil. Man kann an jüngste Enteignungsfantasien von Juso-Chef Kevin Kühnert denken, an die eingeübte Tradition, den Wohnbau zu verkomplizieren und zu verteuern, oder auch an ältere Entscheidungen zur nachträglichen, vertragswidrigen Rentenbesteuerung. Berlin könnte mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Ärztekammer-Chef fordert Gebühr für häufige Arztbesucher Schwierige "Strafgebühr" Heike Krüger Bielefeld (ots) - Natürlich gibt es sie, notorische Vielbesucher von Arztpraxen, die mit Bagatelldiagnosen von Mediziner zu Mediziner laufen. Sie sind nicht gern gesehen im Medizinbetrieb, und ja, sie halten den Verkehr auf, kosten schon das Personal am Empfang, später den Arzt/die Ärztin reichlich Nerven. Ob allerdings eine "Strafgebühr" nach dem Gießkannenprinzip diese Patienten fernhalten kann, so wie der neue Ärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt sie vorschlägt, darf bezweifelt werden. Nicht immer liegen Gründe für umfangreiche mehr...

  • BERLINER MORGENPOST: Lasst Tegel nicht schleifen / Kommentar von Sebastian Geisler zu Andrang an Berliner Flughäfen Berlin (ots) - Kurzform: Die neue Belastungsspitze ist planbar gewesen, die Zahl der angesetzten Abflüge und der erwarteten Passagiere vorab bekannt. Mit - auch baulich - verbesserter Besucherlenkung und mehr (auskunftsfreudigem) Personal müsste man die Ströme der Reisenden angemessen steuern. Tegels Ruf als "Flughafen der kurzen Wege" wirkt leider auf fatale Weise nach. Die Flughafengesellschaft sollte eingestehen, dass ein Eintreffen "mindestens zwei Stunden vorher" nicht ausreicht. Es sind eher drei Stunden. An das Horrorszenario, mehr...

  • Westfalen-Blatt: ein Kommentar zum Plan, das Fahren leichter Motorräder mit einem Auto-Führerschein zu erlauben Bielefeld (ots) - Nun mal langsam: Ganz so abwegig, wie die Kritiker meinen, ist der Vorstoß von Verkehrsministers Andreas Scheuer (CSU) wirklich nicht. Es geht ja nicht darum, halbstarke Raser aufzurüsten, sondern um einen gangbaren Weg, erfahrenen Autofahrern den Umstieg auf verbrauchsgünstigere Fahrzeuge zu ermöglichen - und das auch nur nach Einweisung durch einen Fahrlehrer. Ein 15-PS-Roller ist im Berufsverkehr vollwertiger Autoersatz, stößt aber auf dem Weg weniger oder - mit Elektroantrieb - gar keine Schadstoffe aus. Zudem mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht