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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur Union: Die Luft rausgelassen von Reinhard Zweigler

Geschrieben am 18-06-2018

Regensburg (ots) - Gestern standen wir am Abgrund, heute sind wir
einen Schritt weiter. An diesen Kalauer erinnert das derzeitige
Hickhack in der Flüchtlingspolitik zwischen den Unionsschwestern. Die
CSU hat in den Abgrund blicken lassen. Tagelang haben Seehofer, Söder
und Dobrindt durch ihre ultimativen Forderungen nach sofortiger
Zurückweisung von Flüchtlingen, die bereits in anderen Ländern
registriert wurden und Asyl beantragt hatten, die Gefahr des Platzens
der Unionsgemeinschaft und damit das Aus der vierten Merkel-Regierung
in Kauf genommen. Vor allem aus purer Angst vor dem Verlust der
absoluten Mehrheit im Freistaat haben die CSU-Granden mit dem Feuer
gespielt. Bayern zuerst, Deutschland und die EU sind uns wurscht.
Doch wer so kurzsichtig - oder aus Verzweiflung - parteitaktisch
handelt, legt, langfristig betrachtet, die Axt an die Zukunft der
Europäischen Union. Wenn jeder seine eigene Flüchtlingspolitik macht,
geht der Grundgedanke der Union zum Teufel. Dabei sind sich die
streitenden Parteischwestern im Grundsatz sogar einig: Es sollen
nicht mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen, sondern weniger. Das
Jahr 2015, in dem Angela Merkel ohne Rücksprache und Rücksicht auf
die Koalitionspartner Tausende Flüchtlinge unkontrolliert ins Land
ließ, dürfe sich nicht wiederholen. Diesen Fehler hat Merkel bereits
zigmal eingeräumt und die Verantwortung übernommen. Einig sind sich
CDU und CSU im Grunde auch darüber, dass keine Flüchtlinge ins Land
kommen dürfen, die bereits anderswo erfasst worden sind. Der
Knackpunkt der jetzigen Auseinandersetzung besteht darin, ob die
fraglichen Flüchtlinge sofort, unverzüglich an der deutschen Grenze
zurückgewiesen werden sollen oder ob dies erst nach dem Vorliegen
gemeinsamer Verträge mit den Ankunftsländern erfolgen kann. Die
Seehofer und Co. sind seit gestern nicht mehr ganz so drastisch. Sie
willigten zumindest ein, Merkel ein paar Tage Zeit für Verhandlungen
mit den Haupt-Ankunftsländern - etwa Italien, Griechenland, Bulgarien
oder Nachbarländern wie Österreich - sowie den anderen EU-Partnern
einzuräumen. Wenn man so will, ist der große Showdown innerhalb der
Union lediglich vertagt worden, doch gelöst wurde das Problem nicht.
Es wurde etwas Luft aus dem Ballon rausgelassen, der zuletzt zu
platzen drohte, doch der Konflikt schwelt weiter zwischen Merkel und
Seehofer, zwischen CDU und CSU. Angela Merkel befindet sich seit
vergangener Woche in der undankbaren Situation, dass sie von der CSU
extrem getrieben wird. Gestern versuchte sie - verbindlich im Ton,
aber knallhart in der Sache - den Spieß einfach umzudrehen. Einen
Zurückweisungs-Automatismus werde es auch dann nicht geben, wenn sie
nicht mit den EU-Partnern einig würde. Man müsse dann halt neu
beraten. Doch das ist eine Wischiwaschi-Position, mit der sie die
Sorgen und Ängste in Bayern und anderswo nicht ernst nimmt. Während
die CSU ein Meister im - wahltaktischen - Aufbauschen von Problemen
ist, so ist Merkel die Meisterin im Kleinreden und Beschwichtigen.
Beides ist unangebracht. Vor diesem aufgeladenen Streit verschwinden
völlig die anderen Fragen, die sich um die Flüchtlings- und
Migrationspolitik ranken. Seehofers Masterplan enthält dafür offenbar
viele wichtige Maßnahmen. Er sollte ihn nur endlich vorstellen und
umsetzen. Doch viel wichtiger als die nur schwer nachvollziehbare
Auseinandersetzung, wer an der Grenze sofort abgewiesen werden darf,
ist vielen Menschen, dass generell der Missbrauch von Asyl verhindert
wird, dass alle, die ins Land kommen dürfen, ordentlich erfasst und -
wenn sie dauerhaft bleiben dürfen - integriert werden. Ganz wichtig
ist, dass die einheimische Bevölkerung, aber auch die Flüchtlinge
selbst, vor Terroristen und Gewaltverbrechern geschützt werden. Viel
Arbeit für Seehofer und seine Leute.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


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