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Mittelbayerische Zeitung: Mittelbayerische Zeitung Regensburg zum Asylstreit. Von Reinhard Zweigler

Geschrieben am 12-06-2018

Regensburg (ots) - Erst am Wochenende beim G7-Gipfel hatte es
Angela Merkel mit dem harten Knochen Donald Trump zu tun. Der
US-Präsident ließ die sechs Alliierten im Regen stehen und
zertrümmerte schließlich per Twitter das Gesprächsformat der großen
westlichen Demokratien. Zwei Tage später ließ er sich für den Deal
mit Kim Jong-un feiern. Dabei wartete in Berlin ein vielleicht noch
härterer Knochen auf Merkel - Horst Seehofer, der seit Sommer 2015
Merkel wegen ihrer liberalen Flüchtlingspolitik in herzlicher
Feindschaft verbunden ist. Allerdings kann der CSU-Chef nicht mehr
von München aus gegen die "Herrschaft des Unrechts" auskeilen,
sondern muss die deutsche Migrations- und Flüchtlingspolitik nun
selbst regeln. Einen Tag bevor der Bundesinnenminister gestern seinen
Masterplan zur Migration öffentlich machen wollte, fuhr ihm Merkel
heftig in die Parade. Aus dem Masterplan wurde ein politisches
Desasterstück. Bei Trump hätte Merkel so etwas niemals tun können.
Beim Bundesinnenminister schon, denn der ist der Richtlinienkompetenz
der Regierungschefin untergeordnet. Allerdings ist das nur formale
Praxis. Im Kern geht es um ein tiefes politisches Zerwürfnis zwischen
den beiden Alphatieren der Union. Ob Flüchtlinge, die bereits in
anderen EU-Staaten registriert sind - was anhand der
Fingerabdruck-Datei Eurodac relativ schnell festzustellen wäre -, an
der Grenze abgewiesen werden können oder nicht, ist der Kern des
erbitterten Streits zwischen Seehofer und Merkel. Nachgeben will
keiner. Seehofer will den harten Hund geben und rigoros an der Grenze
zurückweisen lassen, wer über einen sicheren Drittstaat einreiste. In
seiner unversöhnlichen Haltung wird er getrieben von nicht
berauschenden Umfragewerten der CSU, von Markus Söder, der alle
Register zieht, um sich die Alleinherrschaft der Christsozialen im
Freistaat zu sichern, und nicht zuletzt gejagt von einer
populistischen Alternative für Deutschland, die Merkels
Flüchtlingspolitik für den bevorstehenden Untergang Deutschlands
verantwortlich macht. Rechtlich allerdings ist Seehofers
Zurückweisungs-Kurs komplizierter, als er glauben machen will. Im
schwarz-roten Koalitionsvertrag steht zudem nichts von
Zurückweisungen an der Grenze. Da ist vielmehr ganz grundsätzlich die
Rede davon, dass sich die Zustände des Jahres 2015 nicht wiederholen
dürften. Daraus leitet Seehofer jedoch die Rechtfertigung dafür ab,
über den Koalitionsvertrag hinaus gehen zu können. Und zugleich
beruft er sich auf die Buchstaben von Artikel 18 des Asylgesetzes,
wonach Ausländern die Einreise zu verweigern ist, wenn sie aus einem
sicheren Drittstaat einreisen. Allerdings unterschlägt der CSU-Chef,
dass von der Einreiseverweigerung abzusehen ist, wenn Deutschland
aufgrund von EU-Rechtsvorschriften für das Asylverfahren zuständig
ist. Nach EU-Recht muss ein Verfahren durchgeführt werden, um den
Staat zu bestimmen, der für das Asylverfahren (eigentlich) zuständig
ist. Der Extrakt der komplizierten Asylrechts-Materie lautet: So
einfach, wie sich Seehofer Zurückweisungen an der Grenze vorstellt,
ist es in der rechtsstaatlichen Praxis nicht. Auf der anderen Seite
hat Merkel die EU im Blick. Sollte Deutschland anfangen, in großem
Stil Flüchtlinge an der Grenze abzuweisen, würde das Problem nur
weitergegeben wie eine heiße Kartoffel. Etwa an Österreich, von dort
nach Ungarn, das wiederum den Nicht-EU-Staat Serbien behelligen
würde. Unter dem Blickwinkel, dass die ohnehin zerstrittene
Europäische Union in dieser Frage zusammenhalten sollte, agiert
Merkel. Sie hofft auf eine Verständigung der EU-Spitzen Ende Juni.
Seehofer ist das jedoch viel zu vage. Er will und muss endlich
liefern. Keine guten Aussichten für eine Verständigung im neu
aufgewärmten Flüchtlings-Dauerstreit.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


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