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BERLINER MORGENPOST: Europa zuerst! / Leitartikel von Kerstin Münstermann zum G7-Gipfel

Geschrieben am 09-06-2018

Berlin (ots) - Kurzform: Trump lehnt die alte Weltordnung ab, ohne
eine Vision für eine neue zu haben. Das sollte die Stunde der
Europäer sein, insbesondere Deutschlands und Frankreichs. Angela
Merkel und Emmanuel Macron müssen den Balanceakt hinbekommen, den
ehemaligen Führer der freien Welt trotz all seiner
Widersprüchlichkeiten nicht zu dämonisieren und weiter Brücken nach
Washington zu bauen. Doch in den Tagen in Kanada wurde auch klar,
dass sich die Europäer nicht einschüchtern lassen wollen. Richtig so.
Auch wenn sich mit Theresa May ein Mitglied aufmacht, die EU zu
verlassen, und mit dem neuen italienischen Regierungschef Giuseppe
Conte der Vormarsch der Populisten an Fahrt gewinnt: Europa muss sich
künftig um sich selbst kümmern. Es liegt an Merkel und Macron, sich
weltweit selbstbewusst zu behaupten.

Der vollständige Leitartikel: Kanadas Premierminister Justin
Trudeau war während der beiden G7-Gipfeltage wahrlich nicht zu
beneiden: Er musste in La Malbaie die Trümmer verwalten, die von der
einstigen westlichen Wertegemeinschaft geblieben sind. Die G7-Familie
erfüllt ihre Funktion nicht mehr. Der Hauptgrund dafür ist ein
US-Präsident, der mehr an Deals für sein Land als an gemeinsamen
Werten interessiert ist. Donald Trump hat die grundsätzliche
Übereinstimmung über eine offene Handels- und multilaterale
Außenpolitik aufgekündigt. Das hatte er im Wahlkampf angekündigt,
dafür wurde er gewählt, das setzt er um. Das Problem dabei: Der
Präsident lehnt die alte Weltordnung ab, ohne eine Vision für eine
neue zu haben. Das sollte die Stunde der Europäer sein, insbesondere
Deutschlands und Frankreichs. Angela Merkel und Emmanuel Macron
müssen den Balanceakt hinbekommen, den ehemaligen Führer der freien
Welt trotz all seiner Widersprüchlichkeiten nicht zu dämonisieren und
weiter Brücken nach Washington zu bauen. Doch in den Tagen in Kanada
wurde auch klar, dass sich die Europäer nicht einschüchtern lassen
wollen. War man 2017 in Sizilien noch bereit, dem damals frisch
gewählten US-Präsidenten die Chance zur Gesichtswahrung zu geben, war
man diesmal nicht willig, zu große Kompromisse einzugehen. Richtig
so. Auch wenn sich mit Theresa May ein Mitglied aufmacht, die EU zu
verlassen, und mit dem neuen italienischen Regierungschef Guiseppe
Conte der Vormarsch der Populisten an Fahrt gewinnt: Europa muss sich
künftig um sich selbst kümmern. Es liegt an Merkel und Macron, sich
weltweit selbstbewusst zu behaupten. Die deutsch-französischen
Regierungskonsultationen in wenigen Tagen und der EU-Gipfel Ende Juni
müssen Wegweiser sein. Trotz aller Unstimmigkeiten über die künftige
Ausgestaltung der Euro-Zone und deren Finanzierung: Merkel und Macron
sollten die Chance nutzen, zu zeigen, dass die Achse Paris-Berlin
funktioniert. Dass man im Handelskonflikt ungeachtet nationaler
Wirtschaftsinteressen eine gemeinsame Linie fährt. Ohne eitles
Ringen, wer nun welchen Vorschlag wie durchgesetzt hat. Wie hatte
Macron mit Blick auf Trump gesagt: Es gibt Werte, die größer sind,
als einzelne Persönlichkeiten. Und nein, ein Ende des G7-Formats
sollte es nicht geben. Und es sollte nicht um China und Russland
erweitert werden. Der nächste G20-Gipfel ist bereits im November in
Argentinien, Merkel besuchte gerade Sotschi und Peking. Ein Austausch
findet also statt. Die G7 versteht sich als Wertegemeinschaft; da
gehören Peking und Moskau schon aufgrund ihrer Auslegung der
Menschenrechte auf keinen Fall dazu. Aus dem Zustand der Schwäche
muss aber nun neue Bedeutung der G7 erwachsen. Kanada hat bereits
Schritte in diese Richtung unternommen, das Land hat Frauenrechte und
den Schutz der Ozeane als Sonderthemen auf die Agenda gesetzt. Diese
Themen haben Auswirkungen auf künftige Generationen. Wer übrigens
Trumps breitbeiniges Auftreten in Kanada gleichsetzen will mit einer
roten Karte an die Adresse der anderen Mächtigen, wird enttäuscht:
Er, der angetreten ist, die "Eliten" zu bekämpfen und dem kleinen
Mann wieder eine Stimme zu verleihen, interessiert sich keineswegs
für die "normale Bevölkerung". Die ist ihm egal. Während alle Staats-
und Regierungschefs den Bürgermeister der kleinen Stadt La Malbaie
begrüßten und ihm für die Gastfreundschaft dankten, war Trump der
Einzige, der diese schlichte Geste komplett ausließ. Dafür hatte er
keine Zeit übrig.



Pressekontakt:
BERLINER MORGENPOST

Telefon: 030/887277 - 878
bmcvd@morgenpost.de

Original-Content von: BERLINER MORGENPOST, übermittelt durch news aktuell


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