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Mittelbayerische Zeitung: Freiheit ist stärker als Angst / Kommentar der Mittelbayerischen Zeitung, Regensburg

Geschrieben am 11-05-2018

Regensburg (ots) - Um die Novelle des PAG angesichts der großen
Proteste durchzuziehen, schürt die CSU Ängste und diffamiert
politische Gegner. Doch es ist fraglich, ob ihre Rechnung aufgeht.

An Christi Himmelfahrt protestieren mindestens 30 000 Bürger gegen
das geplante Polizeiaufgabengesetz (PAG) - und Joachim Herrmann hat
nichts Besseres zu tun, als sie zu verunglimpfen. Die CSU will bei
der Landtagswahl der AfD die Wähler abjagen. Dafür nimmt sie in Kauf,
massiv Ängste zu schüren und politische Gegner mit aggressiver
Rhetorik zu überziehen. Doch ihre Rechnung scheint nicht aufzugehen.
Die Staatsregierung hat die Wucht des Protests gegen die PAG-Novelle
unterschätzt und fühlt sich in der Defensive. Dass sie nicht vor
Bürgerbeschimpfung zurückschreckt, zeigt, dass ihr Parteipolitik
wichtiger ist als die Achtung des demokratisch verbrieften
Demonstrationsrechts. In der Logik der CSU ist bei den
Protestierenden bei der Wahl nichts zu holen. Doch Herrmanns
Entgleisungen sollten auch CSU-Anhänger aufbringen. Schließlich ist
die inhaltliche Auseinandersetzung um gesellschaftliche
Entscheidungen Zeichen einer lebendigen Demokratie. Doch die CSU will
die PAG-Novelle möglichst widerstandslos durch den Landtag peitschen
und sich bundesweit als sicherheitspolitische Musterschülerin feiern
lassen. Deshalb setzt sie auf Scheindebatten wie die, die
Verfassungsmäßigkeit von Demonstrationsteilnehmern anzuzweifeln. Das
gesellschaftlich breite Spektrum des "NoPAG"-Bündnisses, bei dem
Gewerkschaften, Jugendorganisationen, der bayerische
Journalistenverband, FDP- und DKP-Anhänger friedlich Seite an Seite
protestieren, zeigt, wie fadenscheinig Herrmanns Argument ist. Schon
die wirkungsvollste Nebelkerze der CSU, der "Kreuz-Erlass", hat nicht
so gut funktioniert, wie die Partei sich das vorgestellt hat: Mit der
Aktion sollte die gesellschaftliche Aufmerksamkeit weg von PAG und
Psychiatrie-Gesetz gelenkt werden. Zwar war die Aufregung um die
Kreuze groß. Doch viele Menschen lassen sich nicht den Blick
vernebeln: In Zeiten gesunkener Kriminalität wollen sie den hohen
Preis steigender staatlicher Überwachung nicht in Kauf nehmen. Sie
wissen, dass es bei der Neuregelung des PAG um die Beschneidung von
Bürgerrechten geht. Diese stehen im härtesten Polizeigesetz der
Nachkriegszeit vor allem durch den unscharfen Rechtsbegriff der
"drohenden Gefahr" infrage. Die Polizei muss nicht mehr wie früher
eine "konkrete Gefahr" begründen, bevor sie Telefone überwachen oder
verdeckt ermitteln kann. "Drohende Gefahr" legitimiert sie,
DNA-Abstriche auszuwerten - ebenso wie Briefe und Pakete. Dies sind
weitreichende Eingriffe in Grundrechte, deren Voraussetzungen nicht
eindeutig definiert sind. Die "verlängerte Präventivhaft" ohne
festgelegte Höchstdauer ruft Erinnerungen an den Fall Mollath wach.
Hier zeigt sich die Konsequenz eines politischen Rechtsrucks:
Zunächst verschärft der Staat die Regeln im Umgang mit Geflüchteten,
nun beschneidet er auch die Freiheitsrechte von Staatsbürgern. Ob die
CSU mit ihrer Novelle durchkommt, entscheiden wohl bald Gerichte.
Rechtsexperten bezweifeln, dass das PAG mit der bayerischen
Verfassung bzw. dem deutschen Grundgesetz zu vereinbaren ist. Wegen
der Proteste musste die CSU sowohl beim Psychiatriegesetz als auch
beim PAG bereits nachbessern. Dennoch sind beide Gesetze vom
Misstrauen gegen die Bürger geprägt. Es gäbe eine Alternative, mit
Verunsicherung vor Terrorismus und Kriminalität umzugehen. Die
Antwort eines demokratischen Staates kann auch mehr Offenheit und
Demokratie sein. So sagte es Norwegens Ministerpräsident Jens
Stoltenberg, als der rechtsextreme Terrorist Breivik 77 Menschen
erschoss. Doch auf verbale und Gesetzes-Kraftmeierei zu verzichten,
ist nicht die Sache der CSU. Vor allem wenn sie glaubt, die AfD klein
zu halten, indem sie sich deren Positionen zu eigen macht. Doch die
Partei sollte ihre Strategie überdenken. Auch Wähler aus der
bürgerlichen Mitte spüren, dass die Staatsregierung an ihren
Bürgerrechten rüttelt. Sie werden sich bei der Wahl im Herbst daran
erinnern.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


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