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Business as usual: Nach Revisionsurteil fordert Agrarlobby härtere Strafen für Tierschützer, statt auf Kritik zu reagieren

Geschrieben am 27-02-2018

Berlin (ots) - Am 22. Februar bestätigte das Oberlandesgericht
Naumburg in dritter Instanz den Freispruch von drei
Tierschützer/innen, die 2013 heimlich in der Schweinezucht und -mast
Sandbeiendorf Videoaufnahmen vom Leid der Tiere angefertigt hatten.
In seiner Begründung unterstrich der Vorsitzende Richter, der
rechtfertigende Notstand habe angesichts untätiger staatlicher
Kontrollorgane eindeutig vorgelegen. Auch er sah das Handeln der
Angeklagten als vollauf gerechtfertigt an, um dem Rechtsgut
Tierschutz zur Durchsetzung zu verhelfen. [1] Das Urteil hat große
Wellen geschlagen und wird auch in der Agrar-Fachpresse ausgiebig
besprochen. Vertreter der Tierindustrie sprechen dabei von
"Selbstjustiz", "Skandal" und einer "Bankrotterklärung". Wie gewohnt
werden die Tierschützer/innen angegriffen und eine strengere
Strafverfolgung dieser gefordert, statt sich mit der Kritik an der
Tierhaltung auseinanderzusetzen und nach Lösungen zu suchen. Diese
Strategie verstärkt einmal mehr die Zweifel an der Glaubwürdigkeit
der Tierindustrie.

Alle drei Gerichte, die mit dem Fall bisher beschäftigt waren,
stellten heraus, dass durch das Filmteam schwerste Missstände
aufgedeckt wurden und dass die Untätigkeit der Veterinärbehörden das
Handeln der Tierschützer/innen rechtfertigte. Das Urteil löste eine
breite Debatte über mangelhafte Veterinärkontrollen in Deutschland
aus. Auf die grundsätzliche Kritik an der Tierhaltung und dem
systematischen Versagen des Tierschutzvollzugs reagiert die
Agrarlobby jedoch überhaupt nicht. Ihr zentrales Anliegen ist
vielmehr eine möglichst harte Bestrafung diejenigen, die solche
Zustände aufdecken. Tierschützer sollen von künftiger
Recherchetätigkeit abgeschreckt und so die Zahl der veröffentlichten
Fälle von Tierschutzverstößen verringert werden, damit nicht die Zahl
der Tierschutzverstöße selbst verringert werden muss.

Verstörende Reaktionen der Agrar-Fachpresse

Der Westfälisch-Lippische Landwirtschaftsverband sieht das
Hausrecht der Bauern als wichtiger an als den Tierschutz und fordert
eine härtere Strafverfolgung: "Selbsternannte Tierschützer werden
ermutigt, angebliche Vollzugsdefizite staatlicher Behörden für
Straftaten zum Anlass zu nehmen. Die Rechte der Geschädigten,
beispielsweise das Hausrecht, werden auf der Strecke bleiben." [2]
Der Interessenverband Deutscher Schweinehalter (ISN) meint: "Aufgrund
des neuerlichen Urteils war gestern ein trauriger Tag für den
Tierschutz und für alle rechtschaffenden Landwirte." [3] Joachim
Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands, nennt das Urteil
einen "Skandal" und eine "Bankrotterklärung": "Es ist ein
Trugschluss, dass es bei diesem illegalen Eindringen in Ställe um den
Tierschutz geht. Umso wichtiger ist es, dass die neue Bundesregierung
dieses Thema gesetzgeberisch aufnimmt." [4]

Es ist kein Wunder, dass es die Forderung der Agrarlobby nach
schärferer Strafverfolgung bis in den aktuellen Entwurf des
Koalitionsvertrags geschafft hat - sind doch
Agrarlobbyvertreter/innen auch im Bundestag zu finden. Im
Koalitionsvertragsentwurf heißt es: "Wir wollen Einbrüche in
Tierställe als Straftatbestand effektiv ahnden." Die
Überbringer/innen der schlechten Botschaft sollen kriminalisiert
werden, um von den eigentlichen Problemen abzulenken.

"Die eigentlichen Probleme sind das, was in tierindustriellen
Anlagen wie in Sandbeiendorf tagtäglich stattfindet", erklärt Jürgen
Foß, einer der Angeklagten von Naumburg. "Die Betreiber solcher
Anlagen schaffen es tatsächlich, die sowieso bereits absurd niedrigen
Minimalvorschriften nochmals zu unterbieten und die Tiere nochmals
mehr leiden zu lassen. Und in diesem wie in anderen Fällen schauen
Veterinärbehörden bewiesenermaßen unter vollem Wissen tatenlos zu.
Das ist ein Totalversagen." Die Erfahrung von ARIWA aus mehr als zehn
Jahren zeigt, dass auch nach detaillierten Anzeigen mit belegendem
Filmmaterial und der Nennung von Zeug/innen die Ermittlungen wegen
Verstößen gegen das Tierschutzgesetz (TierSchG) fast immer
eingestellt werden. Zudem widerspricht aus Sicht von ARIWA auch die
formal gesetzeskonforme Tiernutzung eindeutig dem in § 1 TierSchG
formulierten Grundsatz, das Leben und Wohlbefinden der Tiere um ihrer
selbst willen zu schützen.

"Wer sich mit der Branche auskennt, weiß, dass dieses Handeln
System hat. Fast jeder tierhaltende Betrieb ließe sich wegen
Verstößen gegen die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung anzeigen",
sagt Jürgen Foß und betont: "Solange diese Verdrängungsmentalität der
Agrarbranche bleibt, wie sie ist, werden sich immer mehr Menschen von
dieser tierfeindlichen Industrie abwenden, und so lange wird es auch
immer Menschen geben, die diese Zustände aufdecken."

[1] http://ots.de/PgXZTr

[2] http://ots.de/Ae9oig

[3] http://ots.de/iGBcjG

[4] http://ots.de/3lWgbQ

Animal Rights Watch e.V. (ARIWA) ist eine gemeinnützige
Tierrechtsorganisation. ARIWA deckt die Zustände in der Tierindustrie
auf und fördert eine tierfreundliche, vegane Lebensweise. Bundesweite
Bekanntheit erlangte ARIWA durch die Veröffentlichung von Recherchen
in Bio-Betrieben und Schweinezuchtanlagen und durch die Ausrichtung
des "Vegan Street Day" in Stuttgart und Dortmund. Zahlreiche
politische TV-Magazine sowie viele Print- und Onlinemedien nutzen
regelmäßig von ARIWA zur Verfügung gestelltes Bildmaterial.



Pressekontakt:

Sandra Franz, Tel.: 01577-6633353, E-Mail: presse@ariwa.org

Original-Content von: Animal Rights Watch e.V., übermittelt durch news aktuell


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