(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Seehofer/ Berchinger Rossmarkt: Die Stunde der Haudraufs naht von Heinz Gläser

Geschrieben am 08-02-2017

Regensburg (ots) - Wir Bayern sprechen ja quasi qua Geburt
fließend Latein. Diese seltene Gabe verdanken wir einem leider viel
zu früh verstorbenen Ministerpräsidenten, dem wahren "Praeceptor
Bavariae", dem "Schöpfer des modernen Bayerns" (Horst Seehofer) und -
natürlich - "größten Sohn der CSU" (Markus Söder). Franz Josef Strauß
nämlich würzte mit Vorliebe seine scharfen Sentenzen mit einer Prise
humanistischer Bildung. Den jederzeit wohlfeilen Rat "Si tacuisses,
philosophus mansisses" (Wenn du geschwiegen hättest, wärst du ein
Philosoph geblieben) beherzigte er freilich ungern selbst, sondern
brachte ihn nur gegen die politische Konkurrenz in Anschlag. FJS
selig hätte mithin seine Freude daran, wenn wir an dieser Stelle
Alkaios von Lesbos zitieren, einen der wichtigsten Vertreter der
äolisch-lyrischen Poesie. "In vino veritas": Ja, im Wein liegt
bekanntlich die Wahrheit. Von Lesbos nach Berching ist es gedanklich
nur ein kleiner Sprung. Beim dortigen Rossmarkt wurde am Mittwoch
jene urbayerische Traditionsreihe eingeläutet, die Anfang März im
politischen Aschermittwoch und alsdann im Derblecken auf dem Münchner
Nockherberg gipfelt. Dem Lokalkolorit - also sozusagen dem Genius
Loci - ist es geschuldet, dass am Rande der Veranstaltungen Bier und
nicht Wein die Zunge lockert und den Zuhörern rauschhafte Eindrücke
beschert. Reiner Wein wird einem in der Politik ohnehin eher selten
eingeschenkt, aber das nur nebenbei. Horst Seehofer, der Erbe des
Schöpfers und zweifellos zweitgrößte Sohn der CSU, führte in der
Oberpfalz das große Wort. Dass "Cicero", das angebliche "Magazin für
politische Kultur", vom fernen Berlin aus solche Ereignisse schon mal
als "Feiertage des Wutbürgers" geißelt, muss uns in unseren Breiten
nicht weiter interessieren. Rekapitulieren wir hier lieber unter rein
sportlichen Gesichtspunkten, was der Ministerpräsident als Zugpferd
in Berching losgetreten hat. Sicherlich handelt es sich um einen
Frühstart ins Wahlkampfjahr. Doch Seehofer stellte mit seinem fünften
Auftritt beim Rossmarkt gleich eine straußsche Bestmarke ein, die er
gar bei nächstbester Gelegenheit zu übertrumpfen gedenkt. Für seinen
ausgeprägten Wettkampfgeist spricht zudem, dass er zuletzt stets in
Jahren von Bundestagswahlen in Berching auftauchte, das als Stadt im
Freistaat stolzer Teil der "Vorstufe zum Paradies" (Seehofer) ist.
Der Flecken Kleve liegt dagegen am Niederrhein, fast schon
beziehungsweise so gut wie in Holland. Und dort wiederum stammt die
SPD-Bundesumweltministerin Barbara Hendricks her, der Seehofer wegen
ihrer hanebüchenen Bauernregel-Kampagne mit Recht verbal einen
rechten Schwinger verpasste. Denn eine eiserne Bayern-Regel besagt:
Leg dich besser nicht mit den Landwirten an. Dass es Horst Seehofer
in Berching mit diesem K.o.-Schlag gegen die politische Konkurrenz
mehr oder weniger bewenden ließ, zeigt indes, dass die Stunde der
Haudraufs erst in drei Wochen schlägt, wenn die Arenen in Passau oder
Vilshofen stehen. Berching war da bloßes Vorspiel, ein Präludium.
Warmlaufen für den Aschermittwoch - inmitten schnaubender Rösser in
der Oberpfälzer Winterkälte. Im Jahr der Bundestags- und ein gutes
Jahr vor der Bayernwahl verheißen die kommenden Kundgebungen in einer
ohnehin aufgeheizten politischen Atmosphäre im Land viel Zündstoff.
Eines neuen US-Präsidenten hätte es dafür gar nicht mehr bedurft. Für
die CSU gilt derweil, was auf dem Stadtwappen von Paris steht:
Fluctuat nec mergitur. Sie schwankt, aber sie geht nicht unter.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de

Original-Content von: Mittelbayerische Zeitung, übermittelt durch news aktuell


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

608072

weitere Artikel:
  • Weser-Kurier: Über Bremens Investitionen in Bildung schreibt Sara Sundermann. Bremen (ots) - Es wird schwer genug für Bremen, die Pflichtaufgaben im Bildungsbereich in den kommenden Jahren finanziell zu stemmen: Am Ausbau der Kita-Betreuung, auf die Eltern einen gesetzlichen Anspruch haben, führt kein Weg vorbei. Ebenso wenig am Ausbau der Schulen, die wie die Kitas eine steigende Kinderzahl aufnehmen sollen. Kitas und Schulen müssen erweitert und neu gebaut werden, und sie brauchen Personal. Allein diese absoluten Grundlagen zu garantieren, ist mit immensen Kosten verbunden. Es wird hart für Bildungspolitiker, mehr...

  • Weser-Kurier: Über steigende Altersarmut schreibt Hans-Ulrich Brandt: Bremen (ots) - Die Zahlen variieren, aber Fakt ist: Die Altersarmut nimmt zu. Mag es auch dem weit überwiegenden Teil der Rentnergeneration noch finanziell gut gehen, die Zeiten werden sich bald ändern, wenn nicht gegengesteuert wird. Die Gründe liegen auf der Hand - es sind die Veränderungen in der Arbeitswelt. Unterbrochene Erwerbsbiografien, Millionen von Geringverdienern, Mini-Jobber, Solo-Selbstständige mit wenig Einkommen, Hartz-IV-Empfänger. Die Folge: Es werden kaum und manchmal sogar gar keine Rentenansprüche erworben. mehr...

  • Rheinische Post: Kommentar: Manager kassieren zu viel Düsseldorf (ots) - Spitzenkräfte sind ein knappes Gut, also sollten sie angemessen bezahlt werden. Das gilt für den Fußballspieler, für den Manager, aber eben auch für die hervorragende Krankenschwester und den fleißigen Erzieher. Nur: Während die einen Millionen bekommen, gehen die anderen mit ein paar Tausend Euro nach Hause. Das ist seit Jahren so - und weder die Politik noch Gewerkschaften oder Betriebsräte, die in den Aufsichtsräten der Unternehmen sitzen, haben daran etwas geändert. Besser macht es das nicht. Es ist absurd, mehr...

  • Rheinische Post: Kommentar: Blockieren reicht nicht Düsseldorf (ots) - Man wolle nicht auf der gleichen Bühne stehen wie Björn Höcke, nicht im gleichen Bett schlafen wie Frauke Petry und die bunte Jahreszeit ohne braunes Gedankengut feiern. Der Protest sämtlicher Karnevalisten gegen die AfD ist im Ansatz verständlich, in der Umsetzung allerdings unbefriedigend. Ja, unbedacht sogar, denn der stumpfe Versuch, Veranstaltungen zu verhindern, erzielt letztlich den Effekt, den sich die Partei immer wieder und immer erfolgreicher zunutze macht: das Hineinmanövrieren in eine Opferrolle. In ihrem mehr...

  • Rheinische Post: Kommentar: Beleidigungen müssen härter bestraft werden Düsseldorf (ots) - Seit Jahren wird der Ton auf der Straße rauer. Der Respekt vor der Polizei schwindet - und das längst nicht nur in den einschlägig bekannten Milieus. Polizisten werden bereits bei alltäglichsten Einsätzen bespuckt, diffamiert und angegriffen. Besonders betroffen sind die weiblichen Beamten. Sie werden häufig aufs Übelste beleidigt. Hure und Schlampe gehören dabei fast schon zu den harmloseren Schimpfwörtern. Manche haben gelernt, das auszuhalten. Andere hingegen leiden psychisch darunter. Die polizeiliche Führung mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht