(Registrieren)

Lausitzer Rundschau: Die Kanzlerin und ihr Verhältnis zur Türkei Merkels Realpolitik

Geschrieben am 22-05-2016

Cottbus (ots) - Angela Merkel liegt falsch. Ihre Kritiker treibt
in der Türkeifrage weniger die Lust am Scheitern an, als der Umstand,
dass sich die Kanzlerin in die Hände eines Politikers namens Erdogan
begeben hat, der auf demokratische Werte pfeift; der sein Land
offenkundig in eine Diktatur umbauen will. Das ist der Kern ihres
Problems: Merkel macht in der Flüchtlingsfrage gemeinsame Sache mit
einem Autokraten. Aus Sicht der Kanzlerin ist das Realpolitik. Die
Türkei ist schließlich auch Mitglied der Nato, will in die EU und ist
durch ihre Grenze zum Konfliktherd Syrien geopolitisch von besonderer
Bedeutung. Wer die Flüchtlingskrise beherrschen will, kommt also um
eine Kooperation mit dem türkischen Präsidenten nicht herum. Für
Merkel gilt frei nach Luther: Hier stehe ich, ich kann nicht anders.
Genau das ist es, was Merkels Kritiker auf die Palme bringt.
Grundrechte, Menschenwürde sind bei einer solchen Haltung vielleicht
nicht zweitrangig - aber sie müssen sich unterordnen. Die Kanzlerin
ist freilich erfahren genug, um zu wissen, dass sie diese Themen bei
ihrem Türkeibesuch heute ansprechen muss, um Glaubwürdigkeit
zurückzugewinnen. Das ist zugleich nicht nur das Mindeste, was man
von ihr erwarten muss. Sondern es ist ihre Pflicht, den
Repressionskurs Erdogans gegen Kurden, Journalisten und
Andersdenkende deutlich zu brandmarken. So entsteht Druck, der
vielleicht im positiven Sinne nicht folgenlos bleibt. Merkel spielt
freilich in die Hände, dass zu einem großen Teil jetzt auch jene mit
ihr hadern, die ihr vor wenigen Monaten noch vorgeworfen haben, in
der Flüchtlingsfrage gänzlich zu versagen. Sie kann für sich in
Anspruch nehmen, standhaft geblieben zu sein. Die Kanzlerin hat immer
auf eine europäische Karte mithilfe Ankaras gesetzt, um die
Flüchtlingskrise zu lösen. Sie hat populistischen Forderungen nach
Obergrenzen und Grenzschließungen widerstanden, und sie hat das
Dauerfeuer der CSU mit kühler Distanz ignoriert. Der Deal mit der
Türkei, er funktioniert. Sagt die Kanzlerin. Und es ist in der Tat
nicht so, dass sich die EU auf Drängen Merkels in eine einseitige
Abhängigkeit manövriert hätte. Die Türkei hat selbst ein enormes
Interesse daran, dass das Abkommen Bestand hat - sie will
Visafreiheit für ihre Bürger, sie will Milliardenhilfen. Auch die EU
hat somit Daumenschrauben, die sie anlegen kann, um auf Erdogan
einzuwirken. Sie muss es nur wollen. Die Frage, die Merkels Kritiker
überdies beantworten müssen ist, was die Alternative zur
Zusammenarbeit mit Ankara wäre. Es gibt nur die eine: das Abkommen,
den Flüchtlingsdeal gänzlich scheitern zu lassen. Doch das würde
niemandem helfen. Der EU nicht, der Türkei nicht und schon gar nicht
den Flüchtlingen. Neue Dramen wie im griechisch-mazedonischen
Flüchtlingslager Idomeni wären unausweichlich. Und das kann keiner
wollen.



Pressekontakt:
Lausitzer Rundschau

Telefon: 0355/481232
Fax: 0355/481275
politik@lr-online.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

591449

weitere Artikel:
  • Stuttgarter Nachrichten: Kommentar zur Wahl in Österreich Stuttgart (ots) - Als sich am Sonntag die Nacht über Österreich legte, begann die Republik zu träumen. Von einem neuen Bundespräsidenten, der - egal ob er Norbert Hofer oder Alexander Van der Bellen heißt - ein gespaltenes Land repräsentieren wird. Diejenigen, die sich typisch österreichisch mit wenig in der Politik zufrieden geben, werden davon träumen, den blauen GAU auf den letzten Metern hauchdünn verhindert zu haben. Die, die sich hinter den FPÖ-Mann Hofer geschart haben, von einem siegreichen Foto-Finish, das das Land mehr mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Präsidentenwahl in Österreich Damit war zu rechnen Carsten Heil Bielefeld (ots) - Es ist nicht überraschend, das bei der österreichischen Präsidentenwahl der Rechtspopulist Norbert Hofer so gut abgeschnitten hat. Schon im ersten Wahlgang hatte er seine Konkurrenten deklassiert. Die Entwicklung in Österreich vollzieht sich nicht erst seit einigen Wochen in Richtung Rechts. Seit Jahren schon taumelt die Alpenrepublik gen Spaltung der Bevölkerung und auf den rechten Abgrund zu. Bei Wahlen gewinnt die rechtskonservative FPÖ regelmäßig hinzu. Ihr ehemaliger Chef Jörg Haider stieg zum Landeshauptmann mehr...

  • Bundeskartellamt alarmiert: Fragwürdige Absprachen bei der GOÄ? Hamburg (ots) - Hinter verschlossenen Türen basteln einige Ärztefunktionäre und private Krankenversicherer derzeit eifrig an einer neuen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Die bislang bekannt gewordenen Details lassen bei mehreren Medizinern jedoch die Alarmglocken schrillen: Sie befürchten dramatische Folgen für ihre Patienten sowie die Zukunft ihrer Praxen - und schalten nun das Bundeskartellamt ein. Dem Ärztenachrichtendienst in Hamburg (änd) liegt ein Anwaltsschreiben an das Bundeskartellamt in Bonn vor, in dem die Tübinger mehr...

  • Thüringische Landeszeitung: Gefühlt unsicher - Kriminalstatistik sagt das Gegenteil aus / Leitartikel von Fabian Klaus zur Kriminalitätsstatistik mit besonderem Fokus auf Thüringen Weimar (ots) - Die Thüringer Aufklärungsquote erreicht den Spitzenwert im Bundesvergleich. Hierzulande werden prozentual die meisten Straftaten aufgeklärt. Holger Poppenhäger (SPD), freistaatlicher Innenminister und damit zuständig für die Innere Sicherheit, hat also allen Grund, gebetsmühlenartig zu wiederholen, dass sich die Menschen hierzulande keine Sorgen machen müssen. Wie passt das zusammen mit der gestiegenen Anzahl an Wohnungseinbrüchen? Welche Schlüsse müssen gezogen werden hinsichtlich deutlich zunehmender politisch mehr...

  • stern-RTL-Wahltrend: SPD und AfD legen zu, Union verliert - Umfrage: Breite Mehrheit für Klartext gegenüber Erdogan Hamburg (ots) - Würde jetzt der Bundestag neu gewählt, käme die Union aus CDU und CSU auf 33 Prozent, 8,5 Prozentpunkte weniger als bei der Bundestagswahl 2013. Im stern-RTL-Wahltrend büßt sie im Vergleich zur Vorwoche einen Prozentpunkt ein, während die SPD wieder einen hinzu gewinnt auf nun 20 Prozent. Die Grünen können ihre 14 Prozent halten, die Linke bleibt bei 9 Prozent. Um einen Punkt verbessert sich die AfD, die mit 12 Prozent ihren bislang höchsten Wert in diesem Jahr erreicht. Die FDP dagegen verliert einen Punkt, wäre mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht