(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Ein umkehrbarer Trend - Die Städte wachsen, die Dörfer schrumpfen: Das lässt sich stoppen. Dazu braucht es aber Ideen und Geld. Von Katia Meyer-Tien

Geschrieben am 13-08-2015

Regensburg (ots) - Wie ein Dokument des Scheiterns liest sich die
Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung, die
Metropolen wie München, Frankfurt und Berlin "starkes Wachstum" oder
immerhin "Wachstum" bescheinigt. Und anderen Kommunen, ländlich
kleinen meist, Schrumpfung attestiert. Das Leben in den deutschen
Großstädten ist deutlich attraktiver als das auf dem Land, kann man
da herauslesen. Wenn dem so ist, ist das nichts anderes als das
Scheitern des im Grundgesetz festgeschrieben Zieles, im ganzen
Bundesgebiet "gleichwertige Lebensverhältnisse" herzustellen. Bayern
hat sich zur Verwirklichung dieses Ziels sogar ein eigenes
Heimatministerium geschaffen. Doch noch scheint es unerreichbar. Der
Trend zum Leben in der Stadt hält seit Jahren ungebrochen an.
Großstädte versprechen Kultur und Bildung, Arbeitsplätze und
Freizeitangebote. Mehr als dreißig Prozent aller Jugendlichen eines
Jahrgangs gehen inzwischen nach dem Schulabschluss an eine
Hochschule. Doch es sind längst nicht mehr nur die Jungen, die es in
die Städte zieht: Moderne Architektur mit viel Grün und
seniorengerechtes Wohnen haben die Städte auch für Familien und
ältere Menschen attraktiver gemacht. Gleichzeitig ächzen die
Metropolen unter dem Zuzug, siehe München: Mieten steigen, Pendler
quälen sich in überfüllten S-Bahnen, Krippen und Kindergärten haben
lange Wartelisten, Schulklassen platzen aus allen Nähten. Ebenso die
Gemeinden in den so genannten Speckgürteln, deren Infrastruktur für
den massiven Zuzug nicht ausgelegt ist und deren öffentliche
Einrichtungen von Krippe bis Krankenhaus auf der Suche nach
qualifiziertem Personal zusätzlich mit den Einrichtungen in den nahen
Metropolen konkurrieren. Personal, das in den ländlichen Gemeinden
erst recht fehlt. Hier schließen Schulen und Arztpraxen, Wohnungen
und Geschäfte in den Innenstädten stehen leer und verfallen,
Gewerbegebiete veröden. Fehlende Gewerbesteuereinnahmen zwingen
Bürgermeister dazu, notwendige Investitionen auf ihre Bürger
umzulegen, das Wohnen auf dem Land wird teurer und noch
unattraktiver: Die Landflucht scheint ein unaufhaltsamer Trend, der
fast nur Verlierer kennt. Dabei waren die Bedingungen für das Leben
auf dem Land eigentlich nie besser. Denn die Digitalisierung hat das
Potenzial, viele der Nachteile auszugleichen, die das Landleben einst
unattraktiv machten. Aktuelle Nachrichten und Börseninformationen
sind für jeden überall und jederzeit zugänglich, die neueste Mode,
der modernste Fernseher und selbst Lebensmittel sind heute über das
Internet verfügbar und werden auch im kleinsten Dorf bis an die
Haustür gebracht. Soziale Medien ermöglichen private und
geschäftliche Kommunikation in Echtzeit, weltweit. Schnelle
Internetverbindung vorausgesetzt. In der Oberpfalz verfügten Ende
2014 nur 54 Prozent aller Haushalte über eine Internetverbindung von
mindestens 50 MB/s. Aber 215 von 226 Kommunen befanden sich schon im
Förderverfahren des Heimatministeriums, das bis 2018 mehr als eine
Milliarde Euro in den Breitbandausbau investiert. Das ist ein erster
Schritt. Staatliche Förderprogramme können allerdings nur begrenzt
helfen. Strukturwandel braucht Ideen. Studien zeigen, dass der
Bevölkerungsschwund dort aufgehalten werden kann, wo sich die
Kommunen auf ihre individuellen Stärken besinnen. Das kann der
Tourismus sein, genauso gut aber attraktive Modelle der
Bürgerbeteiligung oder kreative Modellprojekte. Bürgerbusse oder
Car-Sharing-Modelle können Mobilität dort ermöglichen, wo sich der
öffentliche Nahverkehr nicht mehr rechnet, Schulen und Kindergärten
neue, flexible und überregional attraktive Lernkonzepte entwickeln,
mobile Arztpraxen oder regionale Gesundheitszentren
Gesundheitsversorgung da sicherstellen, wo lokale Hausärzte
aufgegeben haben. So kann der existenzbedrohende Druck der Landflucht
zur Chance werden, ganz neue Infrastrukturmodelle zu erproben. Das
kostet Geld, könnte aber diejenigen, die in jungen Jahren zum Lernen
fortgehen, zur späteren Rückkehr motivieren. An ihnen wird sich
zeigen, ob es gelingt, das Leben auf dem Land wieder zur echten
Alternative zum Stadtleben zu machen, mit gleichen Chancen und
vergleichbarer Lebensqualität. Gleichwertig eben.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

573361

weitere Artikel:
  • Weser-Kurier: Kommentar von Martin Wein über E-Government Bremen (ots) - Das Internet hat zu einem Modernisierungsschub in allen Lebensbereichen beigetragen. Nur einer hat die vergangenen 20 Jahre weitgehend verschlafen: der Staat. Anstatt die Effizienzgewinne schneller Datenübertragung und automatischer Verarbeitung zu nutzen, werden in deutschen Amtsstuben weiter Akten gewälzt. Lange hat man sich hinter dem Datenschutz versteckt. Dabei gibt es längst Technologien, die vor Missbrauch wirksam schützen. Die Wahrheit ist, dass mit zeitgemäßer Datenverarbeitung Tausende Stellen entfallen oder mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Touristensteuer in Mallorca Geordnete Bahnen Ralph Schulze Bielefeld (ots) - Mallorca ist Europas beliebteste Urlaubsinsel. Deswegen schlägt die Ankündigung, dass das Ferienparadies nun eine Fremdenverkehrsabgabe kassieren will, hohe Wellen. Neue Steuern lassen stets wenig Freude aufkommen.  Schließlich klingeln, so möchte man meinen, auf der Insel dank der vielen Gäste auch so schon die Kassen. Die rund zehn Millionen ausländischen Touristen im Jahr sorgen mit ihren Hotelbuchungen, Restaurantbesuchen und Einkäufen dafür, dass die Steuereinnahmen kräftig sprudeln. Aber das Geld reicht längst mehr...

  • Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Lehrermangel Schonzeit für Schulen Christine Panhorst Bielefeld (ots) - Es sollen mehr Zahlen gründlicher und verbindlicher an NRW-Schulen erhoben werden, um dem Unterrichtsausfall beizukommen, verspricht das Schulministerium. Doch Statistiken können lediglich Werkzeug sein. Sie schaffen keine Lehrer. Was sie sein können, ist eine Handhabe für die von permanenten politischen Winkelzügen geplagten Schulen. Der offensichtliche Lehrermangel wird dann schwarz auf weiß ablesbar sein. In den vergangenen Jahrzehnten ist die Schule mehr und mehr zum Schauplatz parteipolitischer Machtspiele und mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Nix von X Zur OECD-Kritik an der Steuerprüfung bei Reichen Cottbus (ots) - Wer als normaler Arbeitnehmer bei der Steuererklärung schummelt, wird erwischt. Jedenfalls wenn er für den Arbeitsweg zwölf Kilometer angibt und es in Wirklichkeit nur zehn sind. Das messen die im Finanzamt nach, einfach mit Google Maps. Anders ist es, wenn man einige Millionen hat und sein Geld mit Vermietungen, Immobiliengeschäften, Aktien, Beteiligungen und anderem verdient, auf dass es noch mehr Millionen werden. Dafür gibt es kein Google. Dafür gibt es nicht einmal eine richtige Überprüfung, weil es dafür keine mehr...

  • Schwäbische Zeitung: "Beschämendes Versagen" - Leitartikel zur Flüchtlingsproblematik als Wahlkampfthema Ravensburg (ots) - Die Flüchtlingsproblematik ist spätestens mit dem fast gleichzeitigen Auftauchen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann und CDU-Herausforderer Guido Wolf in der Erstaufnahmestelle in Ellwangen sichtbar zum Wahlkampfthema geworden. Vorläufiger Tiefpunkt: Gegenseitige Schuldzuweisungen, wer zuerst den Trip nach Ellwangen geplant habe. Das Thema Flüchtlinge ist zu wichtig, um es zu instrumentalisieren - zumal der Staat beim Umgang mit Asylbewerbern beschämend versagt. Einem Land, in dem das öffentliche Leben mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht