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Mittelbayerische Zeitung: Lone Ranger - Peer Steinbrück kämpft vielleicht auf verlorenem Posten. Aber er kämpft zumindest - und macht das gut. Von Christian Kucznierz

Geschrieben am 01-09-2013

Regensburg (ots) - Seit Peer Steinbrück die Kavallerie gegen die
Schweiz ausreiten lassen wollte, gilt der SPD-Kanzlerkandidat als
Western-Fan. Nach dem TV-Duell muss klar sein, dass Steinbrück weiß,
wie man sich einen Showdown mit einem als überlegen gehandelten
Gegner liefert - und wie man ihn überlebt. Denn eines ist in diesem
Wahlsommer schon länger klar: Steinbrück mag vielleicht auf
verlorenem Posten kämpfen. Aber zumindest kämpft er. Und das macht er
richtig gut. Das Problem für den SPD-Mann war lange Zeit, dass er den
Kampf alleine austrug. Seine Gegnerin ignorierte ihn. Angela Merkel
hatte es bisher vermieden, ihren Herausforderer beim Namen zu nennen
oder sich ihm direkt zu stellen. Das ist seit gestern Abend vorbei.
Steinbrück begegnete der Kanzlerin auf Augenhöhe. Mehr noch: Er
wirkte in vielen Punkten souveräner und angriffslustig und vor allem
deutlich weniger angestrengt als die Amtsinhaberin. Merkel standen
die Strapazen des Wahlkampfes deutlicher ins Gesicht geschrieben als
ihrem Herausforderer. Wobei das wundert, steht Steinbrück doch schon
lange im Kreuzfeuer der Kritik. Dafür gibt es ein paar gute Gründe.
Der wichtigste ist der übereilte Start der Kandidatur. Steinbrück war
über Nacht in die Rolle des Kanzlerinnen-Herausforderers geworfen
worden. Vieles, was nach seiner Nominierung diskutiert wurde, etwa
seine Honorare aus Nebentätigkeiten, war eine Folge dessen.
Steinbrück war nicht auf die Rolle des Spitzenmannes seiner Partei
vorbereitet worden - und seine Partei war ebenfalls nicht
vorbereitet, problematische Aspekte in der Vita des Kanzlerkandidaten
zu erkennen und eine Gegenkampagne vorzubereiten. Ein weiteres
Problem ist Steinbrück selbst. Seine direkte Art mag viele Wähler
angesprochen haben, seine Kantigkeit mag ihn zu einem idealen
Konterpart zur glatt geschliffenen Kanzlerin gemacht haben - was sich
gestern Abend ziemlich eindrucksvoll bestätigte. Aber die
Beinfreiheit, die er von seiner Partei eingefordert hatte, nutze er
auch, um unnötiger Weise in einige Fettnäpfchen zu treten. Das alles
ist richtig. Richtig ist aber auch, dass seither an ihm kein gutes
Haar mehr gelassen wurde. Und das ist falsch. Denn Steinbrück
versucht zumindest, so etwas wie Wahlkampf aufkommen zu lassen. Das
hat er gestern einmal mehr deutlich gemacht. Während die Kanzlerin
vor allem mit sich selbst wirbt und mit dem, für das sie nach Meinung
der Bürger steht - Zuverlässigkeit, Stabilität, Wohlstand - versucht
Steinbrück es mit dem Programm seiner Partei - und das setzt auf
soziale Gerechtigkeit. Nur geht es ihm in diesem Fall wie einem
Westernheld, der kürzlich die Leinwände der Kinos füllte: dem Lone
Ranger. Wie der Marshall mit der Maske kämpft Steinbrück für ein
ureigenes SPD-Thema: soziale Gerechtigkeit. Und er tut dies eben
alleine. Denn mit der Programmatik der SPD will sich offenbar nur ein
kleiner Teil der Öffentlichkeit auseinandersetzen. Haften geblieben
ist vor allem (auch dank der Kampagne von Schwarz-Gelb), dass die SPD
an die Geldbeutel der Bürger will. Das ist nicht von der Hand zu
weisen, zumal der potenzielle Koalitionspartner, die Grünen, sogar
noch drastischere Abgabenerhöhungen will. Aber Steinbrück und seine
Partei haben ein Gegenkonzept zur Merkel-Republik entworfen, mit dem
man sich auseinandersetzen kann. Dazu aber bräuchte es das Interesse
an der Auseinandersetzung. Dass die Kanzlerin das lange nicht hatte,
ist klar. Die Bürger aber haben offenbar auch keine Lust darauf.
Anders lassen sich weder die hohen Zustimmungswerte für Merkel, noch
die schlechten für die SPD erklären. Ob das TV-Duell daran etwas
geändert hat, wird man abwarten müssen. Steinbrücks einzige Chance
lag darin, zu zeigen, dass es noch etwas anderes gibt als eine
Weiter-so-Republik. Gestern Abend hat er sie genutzt. Die Zeit
arbeitet gegen ihn. Westernhelden im Film hat das nie gestört. Die
Frage wird sein, ob Steinbrück die Munition noch für die kommenden
drei Wochen ausreicht.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


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