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DER STANDARD-Kommentar "Viele Gewinner im Iran" von Gudrun Harrer

Geschrieben am 16-06-2013

"Vom Sieg des Reformers Hassan Rohani profitiert das ganze
System" - Ausgabe 17.6.2013

wien (ots) - Am Tag danach sieht das Resultat der iranischen
Präsidentschaftswahlen nicht nur wie ein Sieg der Reformfraktion aus,
sondern wie einer des gesamten iranischen Regimes: Mit Hassan Rohani
hat nicht einer der ausgesprochenen Systemkandidaten gewonnen, kein
strammer Ideologe, der über der Islamischen Republik deren Bürger und
Bürgerinnen vergisst. Die Menschen im Iran können auf mehr Luft in
ihrem Alltag hoffen. Aber gleichzeitig steht das System viel besser
da als vorher: Im Ausland wurden diejenigen Lügen gestraft, die die
Wahlen als irrelevant, auch aus inneriranischer Sicht, abgetan
hatten. Die Iraner und Iranerinnen gingen an die Urnen, um ihre
Chance der Mitgestaltung wahrzunehmen. Und sie konnten eine Änderung
herbeiführen, die noch vor Wochen außerhalb der Möglichkeiten schien:
ein Gemäßigter, ein Reformer, einer, der einen Wahlkampf mit dem
Thema Menschenrechte und Freiheiten machte, wird nächster iranischer
Präsident. Dadurch bekommen - ob es einem gefällt oder nicht - die
iranischen Präsidentschaftswahlen wieder einen Teil jener Legitimität
zurück, die sie bis 2009 immer ausgezeichnet hatte: als Wahlen mit
beschränkter Auswahl, aber doch Wahlen, von denen etwa die Menschen
jenseits des Persischen Golfes, auf der arabischen Seite, nur träumen
können. Der größte Gewinn für das Regime ist jedoch das, was nur
Hassan Rohani und kein anderer der Kandidaten leisten kann: interne
Entlastung und Entspannung. Und das ist so offenkundig - alleine der
Kurssprung an der Teheraner Börse zeigte es -, dass man sich schon
wieder fragen kann, ob nicht dieses Ergebnis von oben nicht nur
zugelassen, sondern sogar gewünscht war. Viel mehr, als sie jetzt
tragen müssen, halten die Iraner nicht mehr aus, und das weiß die
Führung unter Ali Khamenei genau. Dieser hat jetzt nach dem ersten
Laien im Präsidentenamt wieder einen Mullah als Ansprechpartner der
Exekutive. Mahmud Ahmadi-Nejad machte seine eigene Machtpolitik, mit
der er die Stärkung des Präsidentenamtes zuungunsten des Einflusses
der geistlichen Führung betrieb. Das hat Khamenei von Rohani nicht zu
befürchten. Rohani, der während des Wahlkampfs deutliche Kritik an
den Verhältnissen übte, gehört wie Mohammed Khatami, Präsident von
1997 bis 2005, zu jenen Vertretern des Systems, die es zu dessen
eigener Rettung reformieren wollen. Vielleicht ist es dazu zu spät.
Aber Repression funktioniert auf lange Sicht schon gar nicht. Rohanis
Möglichkeiten sind beschränkt, die großen Linien sind vorgegeben.
Aber allein die Besetzung seiner Regierung - die, anders als jene
Ahmadi-Nejads, nicht in der Defensive sein wird - kann große
Unterschiede für das Leben der Menschen ausmachen, wie man unter
Khatami gesehen hat. Die Linie der Außenpolitik wird so bleiben, wie
sie ist - aber im Gegensatz zu Ahmadi-Nejad weiß Rohani, wie die
internationale Politik funktioniert. Die Atmosphäre wird sich ändern,
und das lässt einiges zu. Die Wähler und Wählerinnen haben Rohani
mental zweifellos mit der Khatami-Ära verknüpft: Das war übrigens
jener Präsident, unter dem der Iran von George W. Bush 2002 als Teil
der "Achse des Bösen" deklariert wurde, nach einer Zeit der
iranisch-amerikanischen Zusammenarbeit beim Sturz der Taliban in
Afghanistan. Noch sitzt Barack Obama im Weißen Haus. Mögen beide
Seiten die Chance nützen.

Rückfragehinweis:
Der Standard, Tel.: (01) 531 70/445

Digitale Pressemappe: http://www.ots.at/pressemappe/449/aom

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