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Westdeutsche Zeitung: Der Volksentscheid in Stuttgart ist alles andere als ein Vorbild - Direkte Demokratie geht anders Ein Kommentar von Martin Vogler

Geschrieben am 25-11-2011

Düsseldorf (ots) - Nur Weltfremde glauben, Stuttgart 21 sei ein
Musterbeispiel für direkte Demokratie. Zwar beeindruckt auf den
ersten Blick die Entwicklung, die morgen in einen bundesweit
beachteten Volksentscheid mündet: Ausgerechnet in einer der
traditionellsten Ecken Deutschlands, die man eher mit Kehrwoche,
Spießigkeit und Langeweile verbindet, reifte eine neue Protestkultur
heran. Schon 100 Mal demonstrierten vor allem sehr bürgerliche
Kreise. Und Stuttgart 21 hat dazu beigetragen, dass Baden-Württemberg
einen grünen Ministerpräsidenten erhielt. Das hätte vor wenigen
Jahren keiner erwartet.

Dennoch taugt der Volksentscheid nicht als Beispiel dafür, wie
sich Volksmeinung Bahn verschafft. Dem steht die Landesverfassung
entgegen, die die Hürde für einen Erfolg extrem hoch legt. Denn
selbst wenn die Bahnhofs-Gegner deutlich gewinnen, hilft ihnen das
nichts, wenn sie nicht ein Drittel der Wahlberechtigten für sich
mobilisieren. Eine so zu Stande gekommene Niederlage würde
Frustration und im schlimmsten Fall blinde Wut erzeugen. Hinzu kommt
eine verwirrende Formulierung auf dem Stimmzettel, die Kreuze am
falschen Platz wahrscheinlich macht. Viele werden das Ergebnis
deshalb nicht akzeptieren wollen.

Aus einem zweiten Grund ist Stuttgart 21 kein Modell für eine
direkte Demokratie, sondern könnte sogar demokratischen Prinzipien
widersprechen. Im Gegensatz zu anderen Volksentscheiden wird über
eine Maßnahme abgestimmt, die längst im Bau ist. Das ist zu spät,
zumal die Entscheidung vorher korrekt nach den parlamentarischen
Spielregeln ablief. Insofern könnte Stuttgart sogar ein gefährliches
Signal für ganz Deutschland sein: Wenn sich nur genügend
Protestierende vehement gegen ein längst genehmigtes und gestartetes
Projekt aussprechen, kann es kippen. Das würde Kommunen und
Unternehmen ihre Planungssicherheit rauben und Milliarden kosten.

Wenn ein Volksentscheid sinnvoll sein soll, dann sollte er anders
als dieser ablaufen. Man muss die Menschen rechtzeitig fragen und auf
Verständlichkeit achten. In Stuttgart hätte ein Blick ins benachbarte
Bayern genügt. Dort funktionieren Volksentscheide seit 1946 - außer
bei Verfassungsänderungen - nach einfacheren Regeln.



Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2370
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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