(Registrieren)

Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zur Verschwendung von Lebensmitteln

Geschrieben am 20-09-2011

Regensburg (ots) - Um sich die wahre Dimension des Wahnsinns
vorzustellen, den unsere Wegwerfgesellschaft Tag für Tag produziert,
muss man nur zwei Nachrichten miteinander in Verbindung bringen. Die
erste kommt von den Vereinten Nationen und dürfte vielen Europäern
den Appetit verschlagen: Zur Bekämpfung des Hungers in der Welt
empfehlen die UN-Fachleute den Menschen, künftig ihren Speiseplan mit
Insekten zu bereichern. Die zweite Nachricht stammt von deutschen
Experten: Sie besagt, dass allein in der Bundesrepublik jedes Jahr
bis zu 20 Millionen Tonnen oft völlig einwandfreier Lebensmittel
einfach auf den Müll geworfen werden. Wir sollen also künftig
Heuschrecken und Käfer vertilgen, obwohl ganze Berge von Obst, Gemüse
und Brot auf dem Abfall landen - in unserer Wohlstandsgesellschaft
spielt sich ein Irrsinn im XXL-Format ab. Die Tatsache, dass wir
ziemlich achtlos mit unserer Nahrung umgehen, ist nicht neu. Aktuell
wird jetzt wieder über dieses Thema diskutiert, weil ein
Dokumentarfilm mit aufrüttelnden Bildern die sattsamen Widersprüche
unserer Überflussrepublik sichtbar macht. Doch seit vielen Jahren
schon, vor allem wenn das Weihnachtsfest naht, prangern Politiker und
Geistliche unsere Verschwendungssucht an - völlig zu Recht angesichts
der zahllosen Hungernden in der Welt. Was viele Verbraucher dann aber
nicht daran hindert, den Festtagsbraten wieder eine Nummer zu groß zu
kaufen. Was davon übrigbleibt, landet später nicht selten im
Mülleimer. Mit dem Argument, man könne die Reste der Weihnachtsgans
ja nicht im Päckchen nach Afrika schicken, mag der eine oder andere
sein Gewissen beruhigen. Das funktioniert aber spätestens dann nicht
mehr, wenn man den wahren Preis für unsere Wegwerfgesellschaft
benennt. Diesen Preis bezahlen auch die Menschen in den Entwicklungs-
und Schwellenländern. Etwa dadurch, dass dort auf riesigen
Monokulturen Futtersoja für die industrielle Viehmast in den USA, in
Europa und zunehmend auch in Asien angebaut wird, um den wachsenden
Fleischhunger in den reichen Nationen zu stillen. In den armen
Ländern bekommen die Menschen das gleich doppelt auf schlimme Weise
zu spüren: Zum einen werden Kleinbauern und Selbstversorger von
nimmersatten Großgrundbesitzern kurzerhand versklavt oder von ihren
Feldern in die Slums der Städte verjagt. Zum anderen verschwinden
zunehmend die Ackerflächen für die Versorgung der eigenen
Bevölkerung, was dort die Nahrungsmittel dramatisch verteuert. Der
zweite Preis, den wir alle bezahlen, ist von moralischer Natur. Es
ist ein zum Himmel stinkender Skandal, dass wir mehr Lebensmittel
wegschmeißen oder vergammeln lassen, als nötig wäre, um alle Menschen
auf der Welt ausreichend zu ernähren. Dieser Wahnsinn hat Methode und
wird auch noch von der EU mit Steuergeldern subventioniert.
Tonnenweise landen Kartoffeln gleich vom Acker weg auf dem Müll, weil
sie ein paar Flecken haben. Und Gurken werden aussortiert, weil sie
nicht wie mit dem Lineal geradegezogen sind. Der Handel wiederum muss
Berge von Lebensmitteln aus dem Verkehr ziehen, weil sich die
Verbraucher den Supermarkt wie ein Schlaraffenland wünschen. Doch je
mehr verschiedene Produkte im Regal stehen, desto mehr wird letztlich
weggeworfen, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum abläuft. Es liegt
nicht nur in der Hand der Politiker, die Wegwerfgesellschaft auf den
Müll zu wünschen. Jeder Bürger kann seinen ganz persönlichen Beitrag
leisten, wenn er beim Einkaufen das Köpfchen einschaltet. Eine
Abstimmung per Einkaufswagen wirkt sich nämlich direkt auf das
Konsumangebot aus. Wenn wir uns aber nicht ändern, wird die Natur auf
ihre unerbittliche Art antworten. In gleichem Maße wie der Hunger auf
der Welt nehmen nämlich in den reichen Ländern lebensbedrohliche
Zivilisationskrankheiten wie Diabetes zu. So frisst sich die
Überflussgesellschaft dann tatsächlich zu Tode.



Pressekontakt:
Mittelbayerische Zeitung
Redaktion
Telefon: +49 941 / 207 6023
nachrichten@mittelbayerische.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

353443

weitere Artikel:
  • FZ: "Eine Herkulesaufgabe" / Kommentar der "Fuldaer Zeitung" zu Bahn/Verspätungen (Mittwochausgabe, 21.9.2011) Fulda (ots) - Seit gestern macht die Bahn öffentlich, was jeder Pendler und Passagier mit gesundem Menschenverstand und funktionierender Armbanduhr seit Jahren gewusst hat: Viele Züge sind unpünktlich. Im Fernverkehr ist es sogar jeder fünfte ICE oder Intercity. Dabei zählen in der Bahnstatistik Verspätungen von bis zu sechs Minuten noch nicht einmal. Für den einzelnen Reisenden können aber auch schon 5:30 Minuten, die ein ICE "pünktlich" zu spät ist, dafür sorgen, dass der Anschlusszug gerade weg ist - und die Fahrt von der Arbeit mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Ministerbezügen Bielefeld (ots) - Der Bund der Steuerzahler hat einen sinnvollen Vorschlag zur Neuregelung der Gehälter und Altersversorgung von Regierungsmitgliedern in NRW gemacht. Dabei geht es nicht um das - unglaublich populäre, aber unangemessene - Kürzen von Bezügen, sondern um eine unverschleierte Gehaltstabelle. Auf einen Blick muss klar sein, was unsere Regierenden pro Monate kassieren. Wer genauer hinsieht stellt dann fest, dass auch 16 500 Euro für Minister und 18 500 Euro für die Ministerpräsidentin monatlich im übrigen nur mittelprächtige mehr...

  • Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Türkei Bielefeld (ots) - Der türkische Staatspräsident Abdullah Gül ist in Deutschland willkommen. Der höfliche und diplomatische Staatsmann pflegt die deutsch-türkische Freundschaft und wirbt für den EU-Beitritt seines Landes. Doch leider wird sein Besuch vom schweren Terrorakt in Ankara mit Toten und Verletzten überschattet. Das Leid der Opfer und ihrer Angehörigen lässt Diplomatie und Politik in den Hintergrund treten. Doch auch politisch verläuft Güls Besuch nicht reibungslos. Zunächst eckt der Gast mit seiner Kritik am deutschen Ausländerrecht mehr...

  • Rheinische Post: Pensionsreform muss kommen Düsseldorf (ots) - Dass Politiker - Regierungsmitglieder wie Abgeordnete - vernünftig bezahlt werden müssen, steht außer Frage. Andernfalls würde kaum ein kluger Kopf die Mühen und die Verantwortung auf sich nehmen, die mit Amt und Mandat verbunden sind. Insofern ist gegen eine angemessene Alimentierung nichts zu sagen. Anders verhält es sich mit den daraus resultierenden Versorgungsansprüchen. Nicht nur in NRW, aber eben auch hier, ist Wildwuchs entstanden. Es kann nicht sein, dass Politiker, die bereits von einer Rente ab 69 reden, mehr...

  • Rheinische Post: Bundestag gestärkt Düsseldorf (ots) - Der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Beteiligung des Bundestags bei den Euro-Hilfen ist ein gutes Signal. Das Parlament muss vor jeder finanziellen Hilfsleistung seine Zustimmung geben. In "eilbedürftigen" Notlagen müssen die Haushaltspolitiker befragt werden. Damit setzen Union und FDP das Urteil des Bundesverfassungsgerichts konsequent um und ein wichtiges Zeichen gegen die fortschreitende Institutionalisierung Europas. Wer Europa stabiler machen und damit eine neue Akzeptanz für das Projekt Europa mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht