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LVZ: Zynismus pur

Geschrieben am 27-04-2006

Leipzig (ots) - Von Micha Schneider
Erst ging es ums Totschweigen, jetzt ums Schönreden. Dabei sind die
Herren Modrow, Gysi und Bullerjahn nur die Spitze des Eisberges im
perfiden Versuch, die Stasi und ihre Machenschaften zu normalisieren,
zu verharmlosen oder zu verklären. Wenn der kluge Denker Gysi die
Mannen von "Horch und Guck" ausdrücklich dafür lobt, dass sie nicht
auf die Menschen geschossen haben, die ihr Chef Mielke doch alle so
sehr liebte, dann ist das nicht blauäugig, sondern zynisch. Während
Opfer des DDR-Regimes mühsam darum kämpfen, wenigstens finanziell
eine kleine Entschädigung zu bekommen, pochen ihre Peiniger dreist
auf höhere Renten. Jetzt nutzen sie alle sich bietenden Mittel des
Rechtsstaates, postulieren Rechte, die sie in ihrer aktiven
Dienstzeit als staatsfeindlich verfolgt haben. Offen - längst nicht
mehr vorrangig konspirativ - finden sie sich in Zirkeln zusammen, in
denen sie ihr einstiges Wirken als Heldentaten für Weltfrieden und
Bürgerwohl hochstilisieren. Ihren Chef Mielke trugen sie als einen
Mann "der wollte, dass die Menschen in sozialer Sicherheit, in
Geborgenheit und Würde leben und arbeiten" zu Grabe. Kein Wort von
Schuld. Kein Zeichen von Reue. Kaum ein Täter stellt sich offen
seinen Opfern, bringt dabei eine Entschuldigung über die Lippen.
Schlussstrichdebatten sind fehl am Platze, auch wenn in diesem Jahr
die Stasi-Überprüfungen für Abgeordnete und öffentlich Bedienstete
auslaufen sollten. Mit Verharmlosung oder Negierung von Unrecht wird
nicht nur den Opfern ins Gesicht geschlagen, auch gesellschaftlicher
Friede lässt sich damit auf Dauer nicht herstellen. So hatten die
68er Studentenunruhen eine ihrer maßgeblichen Ursachen in der
inkonsequenten Aufarbeitung der NS-Zeit.
Natürlich kann es nicht darum gehen, bestimmte Menschengruppen auf
ewig auszugrenzen. Ein Persilschein-Automatismus würde aber
Ungerechtigkeit nachträglich legalisieren, starrköpfige Ignoranten
belohnen. Vielleicht hätte deshalb der designierte SPD-Vize
Bullerjahn lieber die Frage stellen sollen, warum es mit
Stasi-Vergangenheit schwieriger ist, Pförtner in einem ostdeutschen
Rathaus zu bleiben, als sich an einem lukrativen politischen Mandat
festzuklammern. Der Linkspartei-Ehrenvorsitzende Modrow hat das
zumindest bis 2004 im Europaparlament geschafft, obwohl er im Herbst
'89 als Chef der Bezirkseinsatzleitung am Dresdner Hauptbahnhof
brutal auf Demonstranten einprügeln ließ. Da wundert es nicht, dass
der Verdrängungskünstler Modrow neuerdings Ost wie West gleichermaßen
verantwortlich macht für die Mauertoten. Zynismus pur in einer
Kampagne, in der sich Täter zu Opfern schönfärben wollen.

Originaltext: Leipziger Volkszeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2

Rückfragen bitte an:
Leipziger Volkszeitung
Redaktion

Telefon: 0341/218 11558


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