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Südwest Presse: Kommentar: Bahnprojekte

Geschrieben am 19-07-2007

Ulm (ots) - So dampfplaudernd können wohl nur Parteisoldaten
daherreden: Mit seinem Vorschlag, das Bahnprojekt Stuttgart 21 in
"Oettinger 21" umzutaufen, spielt CDU-General Thomas Strobl trunken
vor Freude über den Berliner Durchbruch seinen Gegnern unnötig in die
Hände. Denn die unterstellen dem Ministerpräsidenten ja schon lange,
er wolle sich, koste es was es wolle, vor allem ein Denkmal setzen.
Nun kann Oettinger einen Erfolg nach all den Pleiten, Pech und Pannen
seiner Anfangsjahre in der Tat gut brauchen. Zumal er sich damit
deutlich aus dem Schatten seiner Vorgänger heraushebt. Ob Lothar
Späth oder Erwin Teufel - sie alle haben sich am nachhaltigen
Widerstand des Bundes die Zähne ausgebissen.
Vor allem Teufel aber hat den kostspieligen Weg vorgezeichnet, den
sein Nachfolger nun zu Ende geht. Teufels Leitmotiv hieß: Für Geld,
da kann man alles kaufen. Viel zu früh hatte er Bund und dessen Bahn
signalisiert, dass man durchaus willig sei, den Geldbeutel zu öffnen,
nur um Stuttgart 21 am Leben zu erhalten. Der Verzicht auf eine
gleichzeitige alternative Planung machte das Land erpressbar. Für die
Bahnstrecke über die Alb berappt es die Hälfte, auch wenn der
Streckenneubau eigentlich alleinige Sache des Bundes ist. Der ist
fein raus, weil er auch die Zuschüsse aus Brüssel behalten darf -
billiger ist Berlin noch nie zu einer Bahnstrecke gekommen.
An der Sinnhaftigkeit des Lückenschlusses zwischen Stuttgart und Ulm
besteht dennoch kein Zweifel, und am Tiefbahnhof in der
Landeshauptstadt kommt auch niemand mehr vorbei. Die Chance, den
Kopfbahnhof zu sanieren, wurde so lange und so konsequent
vernachlässigt, dass sie nun kaum billiger und schneller zu
verwirklichen wäre als der Neubau durch den Untergrund.
Zwar bleibt eine Reihe von Finanzierungsfragen, darunter der Zuschuss
aus Brüssel, nach wie vor unbeantwortet. Aber zumindest der
politische Wille auch des bislang so störrischen Bundes ist nun
dokumentiert. Der Preis, für den das Land sich nicht mehr erkauft als
einen vorgezogenen Baustart, ist enorm, und obwohl zunächst die Bahn
für Kostenüberschreitungen haftet, bleibt ein 700 Millionen schweres
Restrisiko. In Baden, wo der Anschluss an das zukunftsträchtige,
klimaschonende europäische Schnellbahnnetz noch in der Anfangsplanung
steckt, wird man mit Argusaugen beobachten, wie die Landesregierung
in Württemberg mit Milliardenbeträgen jongliert.
Zu Recht werden die Menschen entlang der Rheinschiene
Gleichbehandlung fordern, und die Bahn wird dann auf das Land
verweisen bei jeder zusätzlichen Verbesserung, die die Anwohner
verlangen, um auch künftig mit einer der am dichtesten befahrenen
Strecke der Republik leben zu können. Oettinger weiß um diese Last,
und vielleicht ist sie der Grund, warum er in einer Stunde des
eindeutigen Triumphes ein Gesicht zieht, als hätte er sich in Berlin
wieder einmal eine Abfuhr geholt.
Das gestern unterzeichnete Memorandum der Verständigung muss nun mit
Leben, sprich rechtsgültigen Verträgen, gefüllt werden. Deshalb
rücken die Bagger erst am Ende der laufenden Regierungsperiode an.
Die Fertigstellung wird Oettinger als Pensionär erleben. Derzeit kann
er sich nur daran erfreuen, wie das Schlauchboot Baden-Württemberg
die Tanker von Bund und Bahn auf Kurs gebracht hat. Doch muss er
aufpassen, dass dem wendigen Boot nicht die Luft ausgeht.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=59110
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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