(Registrieren)

Koalition muss bei CO2-Verschmutzungsrechten dem Druck der Kohle-Lobby widerstehen

Geschrieben am 18-06-2007

Berlin (ots) - DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake: "Jetzt die
Weichen in der Kraftwerkswirtschaft auf Modernisierung und
Klimaschutz stellen" - Große Koalition vor der Woche der Entscheidung
im Emissionshandel heillos zerstritten - Energiekonzerne wollen
klimaschädliche Versorgungsstrukturen für Jahrzehnte betonieren - DUH
stellt vier zentrale Forderungen

Nach den internationalen Merkel-Wochen im Klimaschutz droht die
nationale Misere schneller zurückzukehren als selbst Pessimisten
befürchtet hatten. Am Anfang der Woche, in der die Große Koalition
endgültig über die Zuteilung von Kohlendioxid-Verschmutzungsrechten
an Energiewirtschaft und Industrie für die Jahre bis 2012 entscheiden
will, sind zentrale Zuteilungsregeln völlig offen und innerhalb der
Koalition umstritten. Darauf hat die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH)
heute vor den entscheidenden Sitzungen des
Bundestags-Umweltausschusses (Mittwoch) und des Bundestagsplenums (2.
und 3. Lesung des Zuteilungsgesetzes, Freitag) hingewiesen.

"Für 2020 und 2050 werden uns hehre Klimaziele versprochen. Hier
und heute werden Lobbyinteressen der kohlebasierten
Traditionswirtschaft bedient und ausgerechnet die Klima schädlichsten
Techniken bevorzugt", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake.
Die DUH beobachte seit Wochen wie es der Kohle-Lobby erneut gelinge,
ihre Interessen hinter den Kulissen zu Lasten des Klimaschutzes
durchzusetzen. So habe die Kohlewirtschaft den
Bundeswirtschaftsminister und Abgeordnete aus beiden
Koalitionsfraktionen für sich eingespannt und wolle zum Beispiel
erreichen, dass Neuanlagen bei der geplanten Teil-Versteigerung von
Emissionszertifikaten ausgenommen werden. Damit würde jeder
Lenkungseffekt in Richtung neuer, Klima schonender Technologien von
vornherein vereitelt.

Baake forderte die Koalition auf, "die Signale jetzt konsequent
auf ökologische Modernisierung zu stellen, damit der Klimaschutz
nicht auf der Strecke bleibt". Dazu müsse der Gesetzgeber bei der
Zuteilung der Verschmutzungsrechte vier zentrale Bedingungen
festschreiben:

1. Neue fossile Kraftwerke müssen in die geplante Versteigerung
einbezogen werden. Wer Modernisierung will, muss Anreize setzen,
damit Klima schonende Technik sich lohnt.

Die Koalitionsfraktionen wollen die Versteigerung der
Emissionszertifikate auf die Energieerzeugungsanlagen konzentrieren.
Verhandelt wird über einen Versteigerungsanteil von 17%. Gestritten
wird über die Einbeziehung neuer Kraftwerke. Ein einfaches
Rechenbeispiel zeigt, warum die Kohle-Lobby und ihre Unterstützer in
der Politik dies unter allen Umständen verhindern wollen. Vergleicht
man Kraftwerke mit einer Leistung von 800 MW und unterstellt einen
Zertifikatepreis von 25 Euro pro Tonne (EUR/t), so muss ein
Gaskraftwerk 9,3 Mio. EUR/Jahr aufwenden, ein Steinkohlekraftwerk
19,1 Mio. EUR/Jahr und ein Braunkohlekraftwerk 21 Mio. EUR/Jahr.
Sobald die Kraftwerksbetreiber die Atmosphäre nicht mehr kostenlos
als Deponie für ihre CO2-Emissionen benutzen dürfen, zeigen sich
somit die Nachteile der Klima schädlichen Kohle. Ihre Kostenvorteile
schwinden. Nur die Einbeziehung der Neuanlagen in die Versteigerung
lenkt Investitionen in Richtung neue, Klima schonende Technik. Eine
Ausklammerung der Neuanlagen würde darüber hinaus die
Versteigerungsoperation insgesamt in Frage stellen, denn eine
Ungleichbehandlung dürfte verfassungsrechtlich unzulässig sein. Das
Risiko wäre groß, dass das Bundesverfassungsgericht eine
entsprechende gesetzliche Regelung aufhebt. Damit wären die
Versteigerungserlöse zurückzuzahlen.

2. Die Privilegierung der Klima schädlichen Kohleverstromung muss
fallen. Die einfachste Lösung wäre ein für alle fossilen Brennstoffe
einheitlicher Strom-Benchmark. Auf jeden Fall muss der derzeit
vorgesehene 10%ige Zuschlag an geschenkten Zertifikaten für die
Braunkohle im Gesetz beseitigt werden.

Die größten Modernisierungseffekte würde man mit einem
einheitlichen Strom-Benchmark nach dem Stand der Technik erreichen;
der liegt derzeit bei 365 g CO2/kWh. Dies entspricht einer modernen
GuD-Anlage. Wer mehr ausstößt (wie Steinkohleanlagen mit 750 g
CO2/kWh oder Braunkohleanlagen mit 950 g CO2/kWh), muss Zertifikate
zukaufen. In jedem Fall sollte der Gesetzgeber die besondere
Privilegierung der Braunkohle, die das Kabinett vorgeschlagen hat,
nicht übernehmen: Bei Braunkohleanlagen hat die Regierung eine um 10%
erhöhte Jahresauslastung unterstellt, was nichts anderes als die
Einführung eines eigenen, höheren Braunkohle-Benchmarks durch die
Hintertür bedeutet.

3. Die Reserve für die Ausstattung von Neuanlagen muss auf
insgesamt 40 Mio. t CO2/a angehoben werden. Der Bund wird ansonsten
gezwungen sein, zuvor verschenkte Zertifikate später am europäischen
Markt zurückzukaufen.

Die Regierung rechnet die Zahl der neuen Kraftwerke künstlich
klein, um entsprechend mehr Zertifikate an die derzeit betriebenen
Anlagen ausschütten zu können. Dies ist Ergebnis und Ausdruck des
Verteilungskampfes um Zertifikate, nachdem die EU sich mit einer
drastischen Reduzierung der zulässigen Gesamtmenge gegen Deutschland
durchgesetzt hat. Die Liste von angeblich nur 12 mit fossilen
Brennstoffen betriebenen Kraftwerken, die voraussichtlich zwischen
2008 und 2012 in Betrieb gehen, ist unvollständig. Es fehlen
zahlreiche geplante Investitionsvorhaben. Die Reserve muss daher von
derzeit geplanten 25 Mio. t CO2/Jahr auf insgesamt 40 Mio. t CO2/Jahr
angehoben werden; ein entsprechender Anteil davon muss versteigert
werden.

4. Es muss eine Missbrauchsregel eingeführt werden, damit alte,
zur Stilllegung vorgesehene Kraftwerke nach 2008 nicht im
Scheinbetrieb weitergeführt werden mit dem Ziel, die wertvollen
geschenkten Zertifikate behalten zu können.

Die Regierung hat bei der Verabschiedung des Zuteilungsgesetzes
versucht, den Eindruck zu erwecken, es gäbe jetzt Regeln gegen den
Scheinbetrieb von Anlagen. Tatsächlich darf jeder Betreiber, wenn er
seine Anlage nach dem 1. Januar 2008 auf eine Jahresauslastung von
nur wenigen Prozent herunterfährt, alle kostenlos zugeteilten
Zertifikate behalten. Große Energieversorgungsunternehmen können mit
dem Scheinbetrieb von wenigen Anlagen so leicht alle klimapolitischen
Einsparverpflichtungen ihres Kraftwerkparks erfüllen. Kein Wunder,
dass zum Beispiel in NRW Anlagen des Versorgers RWE, deren
Stilllegung früher politisch zugesagt wurde, jetzt länger laufen
sollen.

Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=22521
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_22521.rss2

Pressekontakt:
Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin; Tel.: Mobil.: 0151 55 01 69 43, E-Mail: baake@duh.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin; Tel.: 030 258986-0, Fax.: 030 258986-19,
Mobil: 0171 5660577, E-Mail: rosenkranz@duh.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

76748

weitere Artikel:
  • Achtung! Änderung des Veranstaltungsortes unserer Pressekonferenz "Hausarztmodell - sinnvolle Versorgung oder Marketing" Bergisch Gladbach (ots) - - Querverweis: Ein Dokument liegt in der digitalen Pressemappe zum Download vor und ist unter http://www.presseportal.de/dokumente abrufbar - Sehr geehrte Damen und Herren, Hausarztmodelle waren schon in der letzten Reform von der Ministerin als großer Fortschritt in der Versorgung gepriesen worden. Mit dem GKV-WSG werden die Verträge nun verpflichtend. Doch wie werden Hausarztmodelle von den Versicherten gesehen? Sind sie für alle Versicherten die erste Wahl und verbessern sie wirklich die mehr...

  • SoVD: Mindestlohn ist Voraussetzung für Erwerbstätigenzuschuss Berlin (ots) - SoVD-Präsident Adolf Bauer erklärt: Die Einführung eines Erwerbstätigenzuschusses für Hartz IV-Aufstocker macht nur Sinn, wenn gleichzeitig Mindestlöhne eingeführt werden. Nur so kann gegen die Fehlentwicklung vorgegangen werden, dass Arbeitgeber Hartz IV ausnutzen, um Arbeitnehmern Dumpinglöhne zu zahlen und sie auf das ergänzende Arbeitslosengeld II zu verweisen. Diesem Lohndumping auf Kosten von Staat und Steuerzahler muss ein Riegel vorgeschoben werden. Solange es keinen Mindestlohn gibt, bleibt für Arbeitgeber mehr...

  • Aspen Institute Berlin gibt neuen Direktor bekannt Berlin (ots) - Wie der Vorstandsvorsitzende des Aspen Institute Berlin, Leonard H. Fischer, heute bekannt gab, wurde Charles King Mallory IV vom Kuratorium zum neuen Direktor des Aspen Institute Berlin gewählt. Charles K. Mallory IV wird den Posten am 1. August 2007 als Nachfolger von Jeff Gedmin antreten. Zuvor war er fünf Jahre im U.S. Außenministerium Senior Advisor des Assistant Secretary of State for Near Eastern Affairs. Vor seiner Tätigkeit im U.S. Außenministerium arbeitete Charles K. Mallory als Berater des in Washington mehr...

  • Arbeiterwohlfahrt (AWO) fordert von Koalitionsausschuss Einigung in Sachen Pflegereform Berlin (ots) - "Für die pflegebedürftigen Menschen in Deutschland ist eine Reform der Pflegeversicherung unabdingbar", so AWO Bundesgeschäftsführer Rainer Brückers. Die AWO "erwartet von der Großen Koalition deshalb heute eine zukunftsweisende Einigung in Sachen Pflegereform." Seit vielen Jahren fordert die AWO u.a. - eine finanzielle Stärkung der ambulante Pflege - ohne dabei jedoch die stationären Leistungen einzuschränken; - eine Dynamisierung der Leistungen der Pflegeversicherung; - die besondere Berücksichtigung mehr...

  • Kein Deal in Potsdam - Schluss mit der WTO-Konzernagenda! Protestaktion zum informellen WTO-Treffen der G4 in Potsdam Einladung zur Pressekonferenz & Aktion Potsdam/Bonn/Berlin (ots) - Pressekonferenz Dienstag, 19. Juni 2007, 11:00 bis 12:00 Uhr Restaurant "Zum Laubenpieper" Am Pfingstberg 25 14469 Potsdam Statements: Alexis Passadakis, Gerechtigkeit Jetzt! - Die Welthandelskampagne Diamantino Namphosa, Via Campesina Tobias Reichert, AG Handel des Forum Umwelt und Entwicklung Peter Fuchs, Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung Protestaktion mit Fotogelegenheit Um 12:00 mit Großpuppen und Anti-WTO-AktivistInnen vor dem Tagungshotel (10 Gehminutenvom Ort der PK). Es besteht die Möglichkeit mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht