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Westdeutsche Zeitung: Das bizarre Urteil von Frankfurt = von Eberhard Fehre

Geschrieben am 22-03-2007

Düsseldorf (ots) - Wollte man der grotesken Entscheidung einer
Frankfurter Amtsrichterin tatsächlich auch nur geringe Aussagekraft
über den allgemeinen Zustand unseres Rechtswesens zumessen, wir
müssten an ihm verzweifeln. Aber dass es überhaupt möglich war, dass
eine wiederholt geschlagene und auch mit Morddrohungen verfolgte
Deutsch-Marokkanerin von einem deutschen Gericht schriftlich
bestätigt erhielt, dies sei keine "unzumutbare Härte", sie habe dies
hinzunehmen, denn schließlich habe sie vor der Eheschließung gewusst,
dass ihr künftiger Mann aus einem "Kulturkreis" stamme, dem "das
Züchtigungsrecht des Ehemannes" nicht unbekannt sei - das hätten wir
wohl bis vorgestern nicht für möglich gehalten.
Und als ob dies allein nicht gereicht hätte, schob die Richterin
wenig später zur Rechtfertigung noch eine Koran-Sure nach. Aber
Antworten aus dem Koran oder der Bibel - wie immer man sie
interpretieren mag - ersetzen nicht unser Recht. Wo gar ein
Menschenrecht verletzt wird - hier das auf körperliche Unversehrtheit
-, kann nicht ein Anspruch auf Respektierung irgendwelcher
kultureller Differenz geltend gemacht werden. Selbst in den meisten
muslimischen Ländern gilt Gewalt in der Ehe nicht mehr als
bewahrenswerte kulturelle Tradition, sondern schlicht als
Scheidungsgrund. Dass ausgerechnet eine deutsche Richterin nun eine
fragwürdige Koran-Interpretation heranzieht, um in scheinbarer
Toleranz den offenen Rechtsbruch als kulturelle Besonderheit zu adeln
und damit unter Artenschutz zu stellen, ist einfach nur bizarr.
Es ist nicht Aufgabe der Justiz, religiöse und kulturelle Haltungen
zu bewerten oder gar zu zensieren. Sie hat Rechtsbrüche zu ahnden.
Schon der frühe Umgang mit den "Ehrenmorden" zeigte, dass das allzu
verständnisvolle Einfühlen in den "fremden Kulturkreis" häufig zu
kaum vertretbar milden Urteilen führte. Diese Fehlentwicklung hat die
Rechtsprechung inzwischen weitgehend korrigiert. Der aktuelle
Frankfurter Fall mag da - so haarsträubend er ist - durchaus sein
Gutes haben: Erinnert er uns doch daran, welche Werte wir für unser
Gemeinwesen als unverzichtbar ansehen. Und auch daran, dass
standpunktlose Toleranz im Ergebnis ihre eigenen Grundlagen
gefährdet.

Eberhard Fehre
Stellv. Politikchef
WESTDEUTSCHE ZEITUNG
Tel.: 0211/ 8382-2213
Fax: 0211/ 8382-2392
E-Mail: eberhard.fehre@westdeutsche-zeitung.de
Internet: www.wz-newsline.de

W. GIRARDET KG
Königsallee 27
40212 Düsseldorf
Kommanditgesellschaft; Sitz: Düsseldorf
Amtsgericht Düsseldorf HRA 8806

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=62556
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Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2526
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