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WAZ: Die Gesundheitsreform: Nicht alles wird schlechter - Leitartikel von Stefan Schulte

Geschrieben am 01-02-2007

Essen (ots) - Einen Sommer und einen Herbst und einen halben
Nichtwinter lang hat uns die Koalition mit ihrer Gesundheitsreform
gequält. Heute will sie ihre vom Umfang her größte Reform
verabschieden. Ein paar dutzend Abgeordnete werden von der Fahne
gehen, und dafür haben sie gute Gründe. Dennoch: Die Reform zu
kippen, wäre noch schlimmer als sie durchzuwinken.

Das zu glauben, mag schwerfallen nach all den vernichtenden
Kommentaren. Zumal diese zu Recht vernichtend ausfielen. Allerdings
ging es darin vor allem um die missratene Finanzreform. Dass ein
Klumpatsch aus kleiner Kopfpauschale der Union und zentraler
Geldumverteilungsstelle im Sinne der SPD die Kassenfinanzen ordnen
soll, glaubt nur die Koalition selbst. Tatsächlich ist der einzige
Zweck des Gesundheitsfonds ein Selbstzweck. Er ermöglicht den
Volksparteien, nach der Wahl 2009 ihr Modell umzusetzen, entweder die
Kopfprämie der Union oder die SPD-Bürgerversicherung.

Bestünde die Reform nur aus dem Gesundheitsfonds, wäre sie
überflüssig. Doch neben der Finanzreform enthält sie auch gute
Strukturelemente: Sie beendet etwa den Skandal, dass mehrere
hunderttausend Bürger gar nicht krankenversichert sind. Sie
verbessert die ambulante Schmerztherapie und ermöglicht es damit
Schwerstkranken, länger zuhause zu bleiben. Sie führt bei
Medikamenten eine Kosten-Nutzen-Analyse ein, die helfen wird, die
Arzneiausgaben zu senken. Und sie bietet Versicherten die Chance,
Beiträge zu sparen. So gibt es künftig Wahltarife, etwa mit
Selbstbeteiligung.

Doch die Vorzüge werden durch die Finanzreform überschattet. Die
Änderungen kurz vor der Verabschiedung haben diesen Eindruck nur
verschlimmert. Die unangenehmsten Dinge, etwa Wechselmöglichkeiten
und Basistarif in den Privatkassen, wurden auf 2009 vertagt. Auch die
Lobbys der Pharmaindustrie und der Apotheker haben das für sie
jeweils Schlimmste verhindert.

Die Behauptung, nichts werde besser, alles nur schlimmer, ist
aber falsch. Dass wegen der Reform die Beiträge gestiegen seien,
ebenso. Richtig und schlimm genug ist, dass die Reform dies nicht
verhindert hat. Ohne wären sie aber genauso gestiegen. 2009 jedoch
wird der Gesundheitsfonds die Beiträge in heute günstigen Kassen
explodieren lassen. Weil das kurz vor der nächsten Wahl nicht so gut
käme, bleibt die Hoffnung, dass die Koalition ihren Fonds ein
weiteres Mal verschiebt. Die guten Elemente umzusetzen und das
Finanzmonstrum leise zu beerdigen, wäre die beste Lösung.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Thomas Kloß
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de


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