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Berliner Morgenpost: Eine notwendige Debatte - leider viel zu spät geführt -Leitartikel

Geschrieben am 04-12-2009

Berlin (ots) - Es war eine Sternstunde des Parlamentarismus: Die
Sondersitzung des Brandenburger Landtages, die den
Stasi-Verstrickungen in der rot-roten Koalition unter
Ministerpräsident Matthias Platzeck gewidmet war. Die Redebeiträge
vieler Abgeordneter zeichnete eine Ernsthaftigkeit aus, die dem
heiklen Thema der Vergangenheitsaufklärung einer Diktatur angemessen
war und die heutzutage in politischen Debatten höchst selten
anzutreffen ist. Beeindruckend war beispielsweise die Rede der
FDP-Nachwuchspolitikerin Linda Teuteberg, die noch die Grundschule
besucht hatte, als das SED-Regime kollabierte. Sie erinnerte zu Recht
daran, dass man jungen Menschen nicht Zivilcourage beibringen könne,
wenn die Täter von einst hofiert würden und die Opfer von damals kein
Gehör fänden. In Brandenburg müsse endlich mehr über jene geredet
werden, die unter schwierigen Verhältnissen anständig geblieben
seien.
Auch Platzeck, der den geschichtspolitischen Diskurs mit einer
halbstündigen Regierungserklärung eröffnet hatte, sagte manches, was
Respekt verdient. Dazu gehörte, dass er eigene Fehler eingestand. So
sei es falsch gewesen, dass Brandenburg als einziges der ostdeutschen
Bundesländer die Stasi-Überprüfung der Landtagsabgeordneten Anfang
der 90er-Jahre abgeschafft habe. Gleichzeitig aber machte es sich
Platzeck, lange die Lichtgestalt der ostdeutschen Sozialdemokratie,
mitunter viel zu leicht. Er lastete die Stasi-Krise seiner Koalition
ganz allein zwei Abgeordneten der Linksfraktion an, die ihre
Zusammenarbeit mit dem DDR-Geheimdienst verschwiegen hätten. So
einfach lässt sich der tiefe Schlamassel, in dem Rot-Rot steckt,
freilich kaum erklären.
Damit nicht genug: Vollends daneben lag Platzeck mit seinem
Generalangriff auf die CDU und die Medien. Es stimmt ja, die
Christdemokraten im Osten haben ihre Vergangenheit als Blockpartei an
der Seite der SED nur unzulänglich aufgearbeitet. Aber sie haben -
und das ist der entscheidende Unterschied zur Linkspartei - einen
klaren Trennstrich gezogen: Ehemalige Stasi-Mitarbeiter werden weder
in Landtagen und noch im Bundestag geduldet. Die Medien wiederum
mögen bei der Schilderung der Stasi-Fälle in der Potsdamer
Linksfraktion mitunter etwas übertrieben haben, doch sie erst setzten
die Debatte überhaupt in Gang. Verfehlt ist es in diesem Zusammenhang
deshalb auch, die Birthler-Behörde zu attackieren. Ihr unterstellt
Platzecks Partei, sie habe Akten dosiert an Journalisten gestreut.
Das ist schon deshalb absurd, weil die Herausgabe der Unterlagen
streng nach jenem Gesetz erfolgte, das von allen demokratischen
Parteien im Bundestag beschlossen worden ist - ausgenommen der
Linkspartei.
In aufarbeitungspolitischer Hinsicht ist Brandenburg in ein
Entwicklungsland geblieben. In der "kleinen DDR" wollte man den
Mantel des Vergessens über die Vergangenheit legen. Das rächt sich
nun, und deshalb werden jetzt Debatten geführt, die andernorts schon
vor zehn Jahren abgeschlossen worden sind.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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